piwik no script img

„Alle Akten gekannt“

■ Straf-Anzeige gegen Mitarbeiter der Hamburger Umweltbehörde: Wurden Dienstgeheimnisse an illegale Müllschieber weitergeleitet? Von Hagen Lang

Der Vorfall kam nur durch Zufall ans Tageslicht: Im Prozeß vor dem Hamburger Amtsgericht um die illegale Entsorgung von über 1000 Tonnen kontaminierter Böden aus der Hamburger Bodenwaschanlage NORDAC wartete einer der beiden Angeklagten, der Ex-NORDAC-Chef Frank L., mit überraschenden Detailkenntnissen auf. Einen als Zeugen geladenen Frankfurter Polizei-Ermittler fragte er forsch, warum dieser die Firma NORDAC als „Relaisstation“ für Sondermüllverschiebung ansehe.

Der Begriff „Relaisstation“ war aber zuvor nur in einem geheimen Ermittlungs-Bericht der Staatsanwaltschaft verwendet worden, der die Hamburger Umweltbehörde über die schweren Müllschieberei-Vorwürfe gegen die NORDAC informieren sollte. Auf Nachfrage des Gerichts räumte der Ex-NORDAC-Chef schließlich ein, von der Umweltbehörde detailliert über die Ermittlungsergebnisse und Geheim-Akten von Polizei und Staatsanwaltschaft informiert worden zu sein.

Der kurze Draht zwischen Umweltbehörde und NORDAC, der laut Aussage eines Frankfurter Polizei-Ermittlers die gesamte Strafverfolgung in diesem Müllschieber-Prozeß in Frage stellte, wird ein juristisches Nachspiel haben. Der Beamte stellte jetzt Strafanzeige gegen den Mitarbeiter des umweltbehördlichen „Amtes für technischen Umweltschutz“, Klaus B. Der Vorwurf gegen den für die NORDAC-Überwachung zuständigen Umweltbehördler: Eine Verletzung von Dienstgeheimnissen, die nach Paragraph 353 b StGB mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann.

Egal wie das Verfahren ausgeht, unbestritten sind zwei Sachverhalte: Bei der „illegalen Abfallbeseitigung“ von über 1000 Tonnen chemisch verseuchter Erde, die über die NORDAC und das Frankfurter Recyclingunternehmen „Eumet“ abgewickelt wurde, versagte die Kontrolle der Umweltbehörde vollständig. Der Mülldeal, für den die führenden NORDAC-Mitarbeiter Frank L. und Franz N. vom Hamburger Amtsgericht im Februar erstinstanzlich jeweils zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe und Geldbußen von 10.000 Mark verurteilt wurden, blieb von der Umweltbehörde unbeanstandet.

Behörden-Sprecherin Ina Heidemann betont, daß die NORDAC einen Vertrag mit der Eumet vorgelegt habe, in dem sich das Frankfurter Unternehmen „verpflichtete, den Boden zu verwerten“. Die gutgläubige Umweltbehörde sah ihre Kontrollfunktion als erfüllt an, die schwermetallverseuchten Böden aber wurden in einem Landschaftsschutzgebiet bei Aschaffenburg „entsorgt“.

Unstrittig auch: Sämtliches Belastungsmaterial, das die Frankfurter Staatsanwaltschaft über die NORDAC-Beteiligung zusammengetragen hatte, leitete die Umweltbehörde auf direktem Weg an die NORDAC weiter. Und nicht nur das: Aus einer Handakte des auskunftsfreudigen Umweltbehördlers Klaus B. geht hervor, daß er sich gemeinsam mit den NORDAC-Chefs über den angeblich „bornierten“ Hamburger Umwelt-Staatsanwalt Peter Eschenburg und dessen Ermittlungen lustig machte.

Dabei haben Klaus B. und die NORDAC kaum Grund sich über die Hamburger Staatsanwaltschaft zu beklagen: Verhinderte sie bislang doch geschickt, daß die NORDAC-Müllschiebereien an die große Glocke gehängt und gegen Klaus B. ermittelt wurde. So „vergaß“ die staatsanwaltschaftliche Pressestelle die Medien über das NORDAC-Verfahren zu informieren – der schlagzeilenträchtige Mülldeal blieb der Öffentlichkeit weitgehend verborgen. „Ein peinlicher Fehler“, räumt Staatsanwalt Peter Eschenburg ein, der natürlich ohne Absicht begangen wurde. Oberstaatsan-walt Rüdiger Bagger zur taz: „Nur eine ärgerliche Panne.“

Auch als der Staatsanwaltschaft der „Geheimnisverrat“ des Umweltbehördlers bekannt wurde, erklärte sich Eschenburg nicht zuständig dafür, juristische Schritte einzuleiten – schließlich sei er ja auf die Zusammenarbeit mit der Umweltbehörde angewiesen. Eschenburg wörtlich: „Von mir wird keine Anzeige kommen, das müssen andere machen.“ Doch auch dabei sind die Hamburger Ermittler kaum behilflich. Bereits vor knapp drei Wochen erbat der Frankfurter Polizeibeamte und Anzeigensteller bei der Hamburger Staatsanwaltschaft Prozeßunterlagen, um seine Strafanzeige zu unterfüttern. Eine Antwort hat er bislang nicht bekommen.

Siehe auch Bericht Seite 1

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen