■ Tour d' Europe
: Moderne Odyssee

Unsere Irrfahrt begann, als wir 1979 unsere Gebiete in Montenegro verlassen mußten, weil es Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen unseres Stammes und denen eines anderen gegeben hatte. Wir sind Muslime, die anderen waren Christen, wir waren seit mindestens acht, die anderen seit sechs Generationen im Land, an sich fühlten wir uns im Recht, zu bleiben, doch wir waren schwächer.

Wir hofften, uns in Kroatien einer anderen Linie unseres Stammes anschließen zu können, der früher mal in Deutschland gelebt hatte, dann wie fast alle damals durch die Nazis in die KZs gekommen und teilweise ausgerottet worden war, nun aber in Istrien eine Bleibe gefunden hatte. Doch als wir dort ankamen, hatte dieser gerade große Schwierigkeiten mit den Behörden, weil man einige dort geschehene Kindesentführungen Sinti und Roma anzuhängen versuchte (alle wurden später freigesprochen). So gingen wir illegal über die Grenze nach Österreich. Bei Klagenfurt wurden wir von der Polizei kontrolliert und an die Grenze zurückgebracht, doch da die Jugoslawen sich weigerten, uns zurückfahren zu lassen, kamen wir für einige Zeit in ein abgesperrtes Lager.

Nach einigen Wochen gelang uns die Flucht nach Italien. Da brachte mir ein Freund Papiere, die aber auf einen anderen Namen als den meinen lauteten. Mit dem Dokument schafften wir dann den Übertritt nach Deutschland. Da hatte es 1980 ein großes „Zigeuner-Musik- Fest“ gegeben, in Darmstadt, und der dortige Bürgermeister hatte im Fernsehen gesagt, nie wieder werde einer von uns vor den Toren abgewiesen wie bei den Nazis.

Wir fuhren hin, mitten im Winter, aber in Darmstadt war niemand auf uns vorbereitet. Wir kamen zuerst auf ein kleines Gelände voller Unrat, später zusammen mit ungefähr zwanzig anderen Wohnwagen auf ein ehemalige Schlepperprüffeld bei Kranichstein. Die Behörden haben Muslime und Christen einfach zusammengepackt, was nie gutgehen kann. Zuerst war auch kein Klosett da. Die Evangelische Kirche, die uns damals etwas betreute und auch schon mal gebrauchte Wohnwagen für uns bereitstellte, schaffte einen fahrbaren Klosettwagen heran, den aber alle benutzen sollten. Das gab Ärger, weil wir Muslime nicht zulassen konnten, daß unsere Frauen auf die Toiletten gingen, die auch die Christinnen benutzten und umgekehrt. Wir zogen weiter, Richtung Holland. Da holte uns die Polizei ein, weil es ein Mißverständnis gegeben hatte: Die Kirche hatte uns die Wohnwagen nur geliehen, wir dachten, sie seinen geschenkt, Wir kehrten also um, kauften uns einen anderen uralten Wohnwagen und fuhren nach Belgien, nach Holland, dann nach Frankreich, aber überall gab es Schwierigkeiten. 1989 kehrten wir nach Italien zurück, weil dort eine Gruppe aus unserem Stamm eingetroffen war, und mit diesen sind wir seither zusammen.B. P.

Der Autor, der seinen Namen mittlerweile erneut ändern mußte, campt mit seiner Frau, seiner Schwester und neun Kindern zur Zeit südlich von Rom.