: Südkoreas Ex-Diktatoren droht die Todesstrafe
■ Historischer Prozeß in Seoul: Ex-Präsidenten Chun und Roh stehen vor Gericht
Seoul (AFP/wps/taz) – Begleitet von Tumulten, begann gestern in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul der Prozeß gegen die beiden Ex-Präsidenten Chun Doo Hwan und Roh Tae Woo. In dem Verfahren, das in Südkorea tiefe Wunden aufreißt und die dunklen Seiten der jahrzehntelangen Militärdiktatur aufrollt, müssen sich Chun und Roh als Drahtzieher des Putsches von 1979 und als Hintermänner des Kwangju-Massakers von 1980 vor Gericht verantworten. Chun war durch den Militärputsch an die Macht gelangt; in Kwangju hatte die Armee bei der blutigen Niederschlagung eines Aufstandes nach offiziellen Angaben über 200 protestierende Zivilisten, inoffiziell mehrere tausend Menschen, umgebracht. Roh, der Chun 1988 ablöste und selbst bis zu freien Wahlen 1993 regierte, soll Chun bei seinem Putsch geholfen haben. Im Falle eines Schuldspruchs droht beiden die Todesstrafe.
Als die ehemaligen Staatschefs in zwei Bussen in das schwerbewachte Bezirksgericht von Seoul gebracht wurden, bewarfen aufgebrachte Demonstranten die Fahrzeuge mit Eiern. Laut Fernsehberichten riefen die rund 200 Demonstranten, darunter Menschenrechtsaktivisten und Angehörige von Opfern der Diktatur, Slogans wie „Tod den Mördern!“ und forderten die Todesstrafe. Nach Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften wurden zwanzig Menschen festgenommen.
Chun und Roh wurden ohne Handschellen in blau-grauer Gefängniskleidung den Richtern vorgeführt. Von den Zuschauern wurden sie ausgebuht und beschimpft. Als sie nebeneinander saßen, hielten die beiden Ex-Diktatoren sich kurz die Hand. Roh machte einen nervösen Eindruck und verhaspelte sich zweimal, als er Angaben zur Person machen sollte. Chun schien ruhiger zu sein.
Staatsanwalt Kim Sang Hee sagte zum Auftakt, der Putsch und das Massaker hätten die Geschichte Koreas verändert. „Wir hoffen, daß dieser historische Prozeß dazu beträgt, daß sich ein so unglücklicher Zwischenfall in Zukunft nicht wiederholt.“ Der Putsch 1979 hatte zu einer Ausweitung des Kriegsrechts und damit zur blutigen Niederschlagung der Kwangju-Proteste geführt. Der Staatsanwalt führte aus, der Putsch habe gegen die Verfassung verstoßen. Die Verteidigung sagte, in diesem Fall sei auch die gegenwärtige Verfassung ungültig, die in der Amtszeit Chuns in Kraft getreten war. Sie nannte die Verhaftung Chuns und Rohs eine „politische Vergeltung“, mit der der jetzige Präsident Kim Young Sam vor den Parlamentswahlen am 11. April die Wähler beeindrucken wolle.
Neben Roh und Chun stehen 14 Mitangeklagte vor Gericht, darunter zahlreiche führende Militärs. Die beiden Ex-Präsidenten müssen sich bereits wegen Korruption vor Gericht verantworten. Dabei geht es um Zahlungen von umgerechnet mehr als zwei Milliarden Mark, die von den Präsidenten für politische Manipulationen zweckentfremdet wurden. Dieser Prozeß soll am 15. April zu Ende gehen; die Kreuzverhöre im Mordprozeß werden voraussichtlich erst danach beginnen.
Tumult im Gerichtssaal löste ein Mann aus, dessen Sohn 1991 bei einer Demonstration getötet worden war. Er beschimpfte die beiden Angeklagten als „Mörder“. Chuns Söhne schlugen dann auf den Mann ein, der ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte.
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