Vergnügliche Spurensuche

■ Mario Vargas Llosa liest morgen in Hamburg aus seinem neuen Roman

Vargas Llosa? War das nicht der mit der Tante Julia? Und hat der sich nicht damals als peruanischer Präsidentschaftskandidat für diese rechte Partei aufstellen lassen?

Gerüchte und vage Kenntnisse sind es, die vielen Hamburgern im Kopf herumschwirren, wenn es um einen der bekanntesten und erfolgreichsten spanischsprachigen Schriftsteller geht. Dabei gibt es über Leben und Persönlichkeit des Mario Vargas Llosa, der heute in genau zwei Wochen 60 Jahre alt wird, viel Interessantes – und ganz Konkretes – zu erfahren. Mal davon abgesehen, daß sein literarisches Werk Neu- und Wiederentdeckungen ohnehin immer lohnt.

Über 20 Titel des Autors erschienen bisher in deutscher Übersetzung: Erzählungen, Dramen, Essays und vor allem Romane. Einer davon ist Tante Julia und der Kunstschreiber (1977), in dem Vargas Llosa auf vergnügliche Weise die Geschichte seiner Ehe mit der entfernt verwandten Julia Urquidi erzählt. Typisch für ihn ist hier das Spiel mit unterschiedlichen Erzählebenen, das er bereits in seinem 1965 erschienenen Roman Das grüne Haus perfekt getrieben hatte. Den weltweiten „Boom“ hatte die lateinamerikanische Literatur damit neben Kollegen wie Gabriel García Márquez – dessen Hundert Jahre Einsamkeit 1967 den Büchermarkt revolutionierte – auch Vargas Llosa zu verdanken.

Immer wieder taucht der Schriftsteller mit seinen Stoffen in die Geschichte der peruanischen Heimat ab, nimmt sich aktueller Probleme an, verfolgt Spuren im Urwald oder auf den Lebenswegen der Menschen. Höchst komplexe Erzählstrukturen pflegt er zumeist, und um so überraschter waren seine Fans, als die erotische Novelle Lob der Stiefmutter erschien.

Das war 1988, und zu der Zeit engagierte sich Vargas Llosa schon für eine Mitte-Rechts-Koalition, mit der er als Präsident aus den Wahlen 1990 hervorgehen wollte. Doch die Peruaner wählten Alberto Fujimori, ebenfalls ein politischer Newcomer, der wenig später nicht nur Teile von Vargas Llosas Wirtschaftsprogramm umsetzte, sondern auch flugs den Kongreß auflöste, die Verfassung änderte und die Parteienvielfalt einschränkte. Bis heute regiert Fujimori als „gemäßigter“ Diktator, nimmt es mit den Menschenrechten nicht allzu genau und stützt seine Macht auf das Militär. „Laut seinen Kritikern meint Fujimori, wenn er über den Staat spricht, sich selbst“, schrieb kürzlich die Financial Times.

Vargas Llosa zog wenige Tage nach der Wahl nach London und beschloß, wieder als Künstler über sich und seine Erfahrungen zu sprechen - und mit seinen Geschichten die aktuelle Situation in Peru zu meinen. Auch in seinem allerneuesten Roman, Tod in den Anden, thematisiert er bittere Mißstände wie den Krieg zwischen Militär, also Staatsmacht, und den Guerilla-Kämpfern vom Leuchtenden Pfad.

Das Lügen, sagte Vargas Llosa einmal zu Journalisten, gehöre zu seinem Schriftsteller-Beruf. Doch ansonsten spreche er nur die Wahrheit - „und das hat mir unheimliche Feindschaften verursacht“. Wen kunstvolle Lügen interessieren und wer wahrhaftige Antworten auf Fragen an den Autor erhalten möchte, der kann ihn morgen in Hamburg erleben. Dann liest er aus Tod in den Anden, die deutsche Fassung trägt der Schauspieler Wolf-Dietrich Sprenger vor.

Nele-Marie Brüdgam

Morgen, 15. 3., Uni-Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1, Hörsaal A, 19.30 Uhr