: Abschieben auf außerbetriebliche Ausbildung
■ Betriebe lassen sich eigentlich bestehende Lehrstellen vom Staat fördern. Der DGB fordert Lehrstellenfonds für Unternehmer: Wer nicht ausbildet, soll zahlen
Der Run auf die Ausbildungsplätze wird aufgrund der gestiegenen Schulabgängerzahl im kommenden Sommer noch größer sein. Die Senatsverwaltung für berufliche Bildung rechnet mit 22.400 BewerberInnen. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der angebotenen Lehrstellen. Ende Februar waren bei den Arbeitsämtern 10.000 Ausbildungsplätze gemeldet, das sind 534 weniger als im Vorjahr.
Doch „wir haben es immer geschafft“, jedem Jugendlichen eine Lehrstelle anzubieten, beschwichtigt der stellvertretende Senatssprecher Eduard Heußen. Der Senat sehe auch, daß die bisher gefundenen Regelungen unbefriedigend seien. Denn das duale System von Betriebsausbildung und Berufsschule verlagere sich immer mehr in Richtung „Subvention“, so Heußen. Doch Arbeitssenatorin Bergmann hält daran fest, Firmen pro neugeschaffenen Ausbildungsplatz 5.000 Mark zu zahlen. Firmen, die 1995 ihre Lehrstellen zum Schein gestrichen haben und in diesem Jahr wiedereinführen, erhalten erneut Fördergelder.
Sollte sich die Situation auf dem Lehrstellenmarkt nicht schnell bessern, werden die vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen geforderten 2.500 zusätzlichen Lehrstellen nicht in Betrieben entstehen, sondern außerbetriebliche Angebote sein. Dies kann eine Ausbildung in einer eigens dafür vorgesehenen Werkhalle der Handwerkskammer sein. Hier fühlen sich die Lehrlinge oft schlecht ausgebildet, und ihre Chancen, eine Arbeitsstelle zu bekommen schätzen sie geringer ein als nach einer betrieblichen Ausbildung. Eine Lösung soll vor allem der von Senat und der Oppositon gefordete Ausbildungsverbund bringen: Mehrere Betriebe, die allein nicht in der Lage wären, eine Ausbildung anzubieten, schließen sich für eine Lehrstelle zusammen. „Ich halte diese Form der Ausbildung für gleichwertig mit einer betrieblichen Lehre“, erläutert Peter Haupt, Staatssekratär von Arbeitssenatorin Bergmann. Die Verwaltung möchte jede dieser Maßnahmen mit 27.000 Mark Steuergeld fördern.
Die Gewerkschaften aber wollen die Betriebe finanziell in die Pflicht nehmen. „Wer nicht ausbildet, soll in einen Ausbildungsfonds einzahlen“, fordert Bernd Rissmann, stellvertretender Vorsitzender des DGB. Ein Betrieb müßte demnach 1,7 bis 2,5 Prozent seiner Brutto-Lohn-und-Gehalts-Summe an die Bundesanstalt für Arbeit entrichten. Der Fonds soll durch das Arbeitsamt an Betriebe verteilt werden, die Lehrstellen schaffen. Allerdings besteht dadurch die Gefahr, daß sich Firmen von der Ausbildungspflicht freikaufen. „Für kurzfristige Erfolge müssen mehere Fonds regional eingerichtet werden“, fordert die bündnisgrüne bildungspolitische Sprecherin Sybille Volkholz. So, wie das Konzept seit 1976 erfolgreich im Baugewerbe läuft.
Die Unternehmen indes halten das schlechte Lehrstellenangebot für ein strukturelles Problem. Sie wollen die Erstausbildung auf eine Grundlehre mit „modularen“ Weiterbildungsangeboten reduzieren. Die Vereinigung der Unternehmensverbände glaubt durch kürzere Ausbildungszeit und geringere Vergütung mehr Lehrstellen schaffen zu können. Doch da sind die Gewerkschaften vor: Das sei ein Angriff auf die bundesweite Fachausbildung, empört sich Rissmann. Torsten Teichmann
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