piwik no script img

Nica-Berlusconi auf dem Vormarsch

Ein undurchsichtiger Millionär schickt sich an, Präsident Nicaraguas zu werden. Fast drei Dutzend Parteien werden in gut sieben Monaten zu den allgemeinen Wahlen antreten  ■ Aus Managua Ralf Leonhard

Er vergleicht sich gern mit Silvio Berlusconi und Alberto Fujimori: ein Antipolitiker, der aus dem Parteiensumpf einen Ausweg verspricht. Wie der japanischstämmige Präsident Perus strahlt Alvaro Robelo Effizienz und Schaffenskraft aus, wie der italienische Medienzar verkörpert er die Union von Geschäft und Politik. Das funktioniert: Kein anderer Kandidat für die nicaraguanischen Präsidentschaftswahlen am 20. Oktober kommt so häufig in Presse und Fernsehen zu Wort wie der ehemalige Botschafter in Rom.

Robelo überschwemmt alle Medien mit seinen bezahlten Anzeigen, und er versteht es, mit den Reportern umzugehen. In weniger als vier Monaten ist aus dem unbekannten Unternehmer und Duzfreund mehrerer ehemaliger Ministerpräsidenten Italiens der Hoffnungsträger einer Nation geworden, der sich im Senkrechtstart in den Umfragen auf den dritten Platz katapultiert hat.

Bei seinen Veranstaltungen beweist der kleine, kahlköpfige Robelo sein rednerisches Talent. Mehr als 20.000 sollen ihm Ende Februar im 200 Kilometer nördlich von Managua gelegenen Bergdorf Pantasma zugehört haben. Zum ersten Kongreß seiner vom Wahlrat noch nicht anerkannten Partei „Arriba Nicaragua“ kamen 1.500 Delegierte aus allen Landesteilen.

Der Multimillionär Robelo, der seine Flugzettel aus der Luft abwerfen läßt, verspricht, was die NicaraguanerInnen am dringendsten wünschen: Arbeitsplätze. Die über 60 Prozent Beschäftigungslosigkeit haben einen verheerenden sozialen Verfallsprozeß in Gang gesetzt. Und gerade Robelo, der bei jeder Gelegenheit seine zahlreichen Unternehmerfreunde erwähnt, trauen die Nicaraguaner hier Besserung zu: Von italienischen Schuhfabriken bis zu einem Fertigungswerk von Toyota sollen die Industrieunternehmen nach Nicaragua drängen.

Womit er sein Vermögen eigentlich verdient hat, darüber spricht Robelo nicht gern: „Ich arbeite seit 25 Jahren, ich kann Ihnen jetzt nicht die ganze Geschichte erzählen.“ Doch sein Einsatz für den in Nicaragua ansässigen italienischen Unternehmer Franceso Cardella, der von der italienischen Justiz verdächtigt wird, den ehemaligen Ministerpräsidenten Bettino Craxi nach Tunesien geflogen zu haben, rückt ihn in die Nähe der Mafia. Ein Vorwurf, der von den politischen Rivalen in Managua kräftig genährt wird.

Daniel Ortega liegt in den Umfragen auf Platz zwei

Robelo hat noch gut sieben Monate Zeit, die WählerInnen für sich einzunehmen. Die wird er auch brauchen: Würde schon heute gewählt, hätte der ehemalige Bürgermeister von Managua, der ultrarechte Arnoldo Aleman, die Nase vorne, knapp gefolgt von Daniel Ortega von der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN). Aleman ist de facto seit drei Jahren im Wahlkampf: Mit jeder neuen Laterne und jeder Straße, die unter seiner Verwaltung in Managua neu gepflastert wurde, hat er AnhängerInnen für seine Liberal-Konstitutionalistische Partei (PLC) geworben. Seine Mitarbeiter, so enthüllte jüngst eine Zeitung, werden über Phantomposten der Stadtverwaltung von Managua bezahlt.

Bei den Sandinisten ist der Katzenjammer über die Wahlschlappe 1990 noch immer nicht überwunden. Letztes Jahr spaltete sich unter dem ehemaligen Vizepräsidenten Sergio Ramirez eine Reformistenfraktion ab, die mehr innerparteiliche Demokratie monierte und jetzt überlegt, mit Christdemokraten und Unabhängig-Liberalen zusammenzugehen. Der „orthodoxe“ sandinistische Mehrheitsflügel unter Daniel Ortega wollte mit einem internen Vorwahlprozeß Transparenz und Demokratie vorführen. Aber die Parteiführung konnte es nicht lassen, die Aktivisten im alten Stil zu „orientieren“, wem sie ihre Stimme zu geben hätten, und so konnte das Ergebnis, das nach einem qualvollen Auszählungsprozeß von fast drei Wochen bekanntgegeben wurde, nicht überraschen: Auf den Kandidatenlisten finden sich fast durchweg die altbekannten Parteikader.

Vor allem die Frauen fühlen sich betrogen. Ihre Kandidatin, die Menschenrechtsanwältin Vilma Núñez, wurde vom Parteiapparat abgeblockt. Und die 30prozentige Frauenquote ist, so klagt die Feministin Patricia Orozco, vor allem von „Quadratschädeln“ besetzt.

Nicht weniger als 35 Parteien sind bereits zugelassen, ein weiteres halbes Dutzend bemüht sich um Anerkennung. Der ehemalige Präsidentschaftsminister Antonio Lacayo, der seine Macht perpetuieren will, hat mit dem „Proyecto Nacional“ seine eigene Partei gegründet, darf aber als Schwiegersohn von Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro voraussichtlich gar nicht antreten. Bei der „Partei des Nationalen Widerstandes“, den ehemaligen Contras, setzte sich überraschend der Exkommandant Enrique Quiñónez gegen den Radiounternehmer Fabio Gadea durch. Letzterer focht die Wahl an und läßt alle Veranstaltungen seines Widersachers stören.

Und bei den Konservativen gab es mit dem 42jährigen Noél Vidaurre einen Überraschungssieger. Der Unterlegene will jetzt – wie sich das für einen traditionsbewußten nicaraguanischen Konservativen gehört – eine eigene Partei gründen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen