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Sting für Nikitin

■ Solidaritätswelle für verhafteten russischen Umweltschützer

Oslo (taz) – Wenn Boris Jelzin heute zum Staatsbesuch nach Oslo kommt, wird es ein außerplanmäßiges Gesprächsthema geben: Sie werde den Fall Nikitin mit dem russischen Präsidenten erörtern, hat Ministerpräsidentin Gro Harlem-Brundtland versprochen. Nicht nur diplomatische Fragen werden Jelzin erwarten, sondern auch die Musik der DumDum Boys und anderer norwegischer Pop-Größen wie Arve Tellefsen oder De Lillos, die am abend zu einem Solidaritätskonzert für Aleksandr Nikitin aufspielen.

Der Fall des am 6. Februar verhafteten Ex-U-Boot-Offiziers und jetzigen Mitarbeiters der norwegischen Umweltschutzgruppe Bellona hat offenbar zur großen Irritation der russischen Geheimpolizei ein ganz unerwartetes internationales Echo ausgelöst. Mittlerweile setzen sich neben amnesty international 35 weitere Organisationen für Nikitin ein. TV-Anstalten von den USA bis Japan haben das Thema aufgegriffen, und in der vorletzten Woche nutzte der Popkünstler Sting eine Tournee in Rußland, um Präsident Jelzin einen persönlichen Brief übergeben zu lassen: Die Welt habe auf seiner Seite gestanden, als er gelobte, Demokratie und Menschenrechte in Rußland zu schützen. Nun beobachte die Welt mit gleichem Engagement, wie es Moskau tatsächlich mit den Menschenrechten halte.

Am 14. März hatte vor dem Verfassungsgericht in Moskau die mündliche Verhandlung wegen der Beschwerde des des Hochverrats angeklagten Nikitin stattgefunden, dem nach wie vor ein Anwalt verweigert wird. Während Fredric Hauge von Bellona aufgrund dieser Verhandlung optimistisch ist, daß Nikitin zumindest bald den von ihm gewählten Rechtsanwalt Juri Schmidt erhalten wird, bezeichnet seine Ehefrau Tatjana Tschernowa das Verfahren als „übliche sowjetische Praxis in solchen Sachen“.

Nach wie vor ist unklar, weswegen Nikitin eigentlich angeklagt ist. Die Informationen über die Gefahren durch die atomare Hinterlassenschaften der Roten Armee, die Nikitin für Bellona zusammengetragen hat, stammen offenbar durchweg aus frei zugänglichen Quellen. Rußlands Außenminister Jevgenij Primakow antwortete auf einen diplomatischen Protest Oslos, die Verhaftung Nikitins habe nichts mit seiner Arbeit für Bellona zu tun – ohne allerdings den tatsächlichen Grund nennen zu können. Reinhard Wolff

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