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Versöhnliches Ende

■ Nach der EM bangen die deutschen Freistilringer um ihre Zukunft und hoffen auf Wild Cards für Atlanta

Budapest (dpa/taz) – Zwei „schweren Jungs“ haben es die deutschen Freistilringer zu verdanken, daß sie nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Heiko Balz (Luckenwalde) und Sven Thiele (Witten) gewannen zum Abschluß der Europameisterschaft in Budapest die Silbermedaille, konnten an der schwächsten EM-Bilanz seit der Vereinigung aber nichts mehr ändern.

Bei seinem internationalen Debüt im Halbschwergewicht unterlag Heiko Balz dem Georgier Eldar Kurtanidse in einem umstrittenen Finale mit 2:5 Punkten. Vizeweltmeister Sven Thiele verlor im Superschwergewicht nach Verlängerung 0:2 gegen Titelverteidiger Mahmut Demir (Türkei). Die Goldbacher Alexander Leipold und Jürgen Scheibe verpaßten im Welter- beziehungsweise Federgewicht den Kampf um die Medaillen, sicherten sich mit fünften Rängen aber einen Platz für Atlanta. Das fünfte Ticket der deutschen Ringer erkämpfte sich der Schifferstädter Arawat Sabejew als Fünfter im Schwergewicht.

Bundestrainer Wolfgang Nitschke war nach dem erfolgreichen Turnier-Endspurt sichtlich erleichtert, auch wenn der Deutsche Ringer-Bund (DRB) bisher nur fünf anstatt der erhofften acht Athleten zu den Olympischen Spielen schicken kann. „Die Erfolge zum Abschluß waren dringend nötig. Ich habe nach dem EM-Fehlstart immer an die Mannschaft geglaubt, die dieses Vertrauen gerechtfertigt hat“, erklärte der Leipziger.

Besonders erfreut war der Bundestrainer über die Leistung von Heiko Balz. „Er hat endlich gezeigt, daß es richtig war, ins Halbschwergewicht zu wechseln.“ Balz gewann im Halbfinale beinahe sensationell gegen den zweifachen Olympiasieger und dreifachen Weltmeister Mhakarbek Khardartsew mit 4:1 Punkten.

Trotz des versöhnlichen Endes sieht es um die Zukunft der deutschen Freistilringer nicht rosig aus. Da die Ergebnisse der Weltmeisterschaft 1995 und der Olympischen Spiele die Grundlage für die Einstufung in die verschiedenen Gruppen des Förderkonzepts 2000 bilden, steht das deutsche Rumpfaufgebot in Atlanta unter Erfolgszwang. „Wenn wir aus der Fördergruppe zwei rutschen sollten, bekommen wir statt der bisher 1,6 Millionen Mark nur noch 680.000 Mark jährlich“, warnte DRB-Präsident Helmuth Pauli. Für die finanziell nicht auf Rosen gebetteten Ringer wäre dies ein herber Rückschlag.

Die Steigerung in der zweiten EM-Halbzeit kam daher gerade noch rechtzeitig, um schwerwiegende Konsequezen für die Zukunft vorerst abzuwenden. Dennoch gab es in Budapest mehr Schatten als Licht. Auffällig war, daß die bis Ende Januar andauernde Hatz nach dem deutschen Meistertitel die Athleten der beiden Ausnahmeteams aus Schifferstadt und Goldbach zuviel Kraft gekostet hat. So enttäuschten die Medaillenhoffnungen Arawat Sabejew und Mittelgewichtler Hans Gstöttner (beide Schifferstadt), und auch der gescheiterte Titelverteidiger Alexander Leipold und Jürgen Scheibe konnten trotz einer Steigerung im Turnierverlauf nicht restlos überzeugen.

Für Olympia hofft Nitschke jetzt noch zumindest auf eine von etwa zehn Wild Cards, die Ende April vergeben werden. „Die FILA muß langsam erkennen, daß die Übermacht der ehemaligen Sowjetrepubliken die westeuropäischen Ringer-Nationen kaputt macht. Ich glaube, wir werden in Atlanta mit sechs oder vielleicht sogar sieben Athleten vertreten sein“, sagte Nitschke mit Optimismus. Aus Mangel an guten Athleten werden wahrscheinlich im Papiergewicht nicht alle Kontinente ihre Startplätze ausschöpfen. Als EM-Neunter wäre der Goldbacher Reiner Heugabel in diesem Fall der erste Nachrücker.

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