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USA entwickeln neue Atomwaffen

Ein internes Dokument des US-Energieministeriums könnte die Verhandlungen über einen Stopp von Atomwaffentests zusätzlich belasten. Für Optimismus gibt es keinen Grund  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die USA wollen auch nach Abschluß eines „umfassenden Atomwaffenteststoppabkommens“ (CTBT) bei der Genfer UNO-Abrüstungkonferenz Versuche und Experimente zur Entwicklung neuer Atomsprengköpfe durchführen. Dies geht aus einem internen Dokument des für Atomwaffenentwicklung zuständigen Energie-Ministeriums (DOE) in Washington hervor, das der taz vorliegt. Das Bekanntwerden dieser Pläne dürfte zu einer zusätzlichen Belastung der ohnehin stockenden Genfer Verhandlungen führen, deren erste Runde heute abgeschlossen wird.

In der UNO-Abrüstungskonferenz tritt die Clinton-Administration bislang lediglich für ein Verbot „nuklearer Explosionen“ im herkömmlichen Sinne ein. Die Forderung Indiens und anderer Staaten des Südens nach einem lückenlosen Verbot sämtlicher Experimente und Tests, „die zur Entwicklung neuer Atomwaffen dienen“ könnten, lehnt Washington ab. Unterstützt wird diese Haltung von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und anderen westlichen Bündnispartnern. Ende Oktober 1995 kündigte das DOE in Washington eine Serie sogenannter „subkritischer Tests“ an, bei denen es nicht zu einer nuklearen Kettenreaktion und nicht zu einer Explosion kommt. Die ersten beiden „subkritischen Tests“ sollen im Juni und September dieses Jahres in der Nevada-Wüste stattfinden. Nach bisheriger offizieller Sprachregelung des DOE und der US-Delegation in Genf sollen diese Tests ausschließlich der Überprüfung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des existierenden US-Atomwaffenarsenals dienen. Laut dem internen DOE-Dokument ist der Hauptzweck dieser Tests jedoch die Entwicklung neuer Waffen. Wörtlich heißt es: „Dieses Testprogramm dient der Entwicklung neuer Waffen und Waffenbestandteile.“ Erwogen werde „die gesamte Bandbreite von relativ geringen Modifikationen bereits existierender Waffen über erhebliche Veränderungen von Sprengköpfen bis hin zum völligen neuen physikalischen Design“ künftiger Waffensysteme. Experimente, die „seit dem Golfkrieg“ durchgeführt wurden, hätten die „militärische Notwendigkeit für Typen atomarer Waffen gezeigt, die in den Arsenalen bislang nicht existieren“, heißt es weiter in dem Dokument.

Nach Angaben US-amerikanischer Rüstungsexperten sind damit unter anderem Atomwaffen mit enormer Penetrationskraft gemeint, mit denen sich auch besonders gehärtete unterirdische Bunker zerstören lassen. In einem derartigen Bunker hatte Iraks Staatschef Saddam Hussein während des Golfkrieges sein Hauptquartier eingerichtet. Neben der Weigerung, künftige Atomwaffenentwicklungen lückenlos auszuschließen, ist Washington auch weiterhin nicht bereit, in der Präambel eines Teststoppabkommens die schrittweise Abrüstung der bestehenden Atomwaffenarsenale in Aussicht zu stellen oder zumindest die Aufnahme von Verhandlungen über dieses Thema zuzusagen. Auch China hält nach wie vor an der Forderung fest, sogenannte „friedliche atomare Explosionen“ von einem Teststoppabkommen auszunehmen. Der Westen lehnt dies ab, weil sich eine militärische Nutzung von Testexplosionen nicht sicher ausschließen lasse.

Doch Peking fühlt sich ermuntert durch jüngste Vorschläge Irans und Mexikos, derartige „friedliche Explosionen“ entweder unter Aufsicht eines internationalen Kontrollgremiums schon jetzt zuzulassen oder über diese Frage in einigen Jahren „im Lichte des dann erreichten technologischen Fortschritts“ erneut zu verhandeln.

Ungeklärt ist auch, wie ein künftiges Abkommen überwacht werden soll und wie viele und welche Staaten den Vertrag ratifizieren müssen, bevor er in Kraft tritt. Der zu Beginn dieser ersten Verhandlungsrunde im Januar allseits geäußerte Optimismus, daß bis Juni ein Abkommen vorliegt, das dann im September von der UNO-Generalversammlung in New York angenommen werden könnte, hat inzwischen tiefer Skepsis Platz gemacht.

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