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Altenwerder lebt weiter

■ Verwaltungsgericht Hamburg stoppt die Hafenerweiterung wegen schwerer Planungsfehler von Senat und Wirtschaftsbehörde Von Heike Haarhoff

Altenwerder ist unverwüstlich: Gestern stoppte das Hamburger Verwaltungsgericht die seit über 30 Jahren umstrittene Hafenerweiterung. Der Planfeststellungsbeschluß zum Ausbau als Containerterminal „dürfte rechtswidrig sein“, befand das Gericht nach monatelanger Prüfung und untersagte der Hamburger Wirtschaftsbehörde den beantragten „Sofortvollzug“: Solange über die Klagen der AnwohnerInnen nicht entschieden ist, darf auf dem 215 Hektar großen Biotop kein Grashalm gekrümmt werden.

Allein bis dahin dürften drei bis sechs Jahre ins Altenwerderland streichen, frohlocken Hafenerweiterungs-GegnerInnen. Doch auch im nächsten Jahrtausend erscheint eine Realisierung des ökologisch und ökonomisch und nun auch juristisch fragwürdigen Milliarden-Projekts höchst unwahrscheinlich: Die anhängige Klage eines Grundeigentümers werde im Hauptsacheverfahren „voraussichtlich Erfolg haben und zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen“, wagte das Verwaltungsgericht eine für ein Eilverfahren sehr deutliche Prognose.

Die geohrfeigte Wirtschaftsbehörde bedauerte die Entscheidung gestern erwartungsgemäß und stimmte ihr Klagelied auf die „140.000 direkten und indirekten Arbeitsplätze“ an, die nun angeblich gefährdet seien. Zerknirscht kündigte sie binnen zwei Wochen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht an. Doch die Aussicht auf Erfolg wird angesichts der hieb- und stichfesten erstinstanzlichen Begründung als gering eingeschätzt: Das Verwaltungsgericht wirft der Wirtschaftsbehörde schwerwiegende Planungs- und Verfahrensfehler und Mißachtung des Naturschutzes vor.

So wollte die Behörde selbstherrlich als Ausgleich für die Naturzerstörung die Alte Süderelbe öffnen, versäumte aber, das hierzu vorgeschriebene eigene Planfeststellungsverfahren samt Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Auswirkungen auf die Grundwasserverhältnisse und den Hochwasserschutz seien „völlig unklar“, schalt Gerichtssprecher Joachim Pradel.

„Noch in diesem Jahr stellen wir den Antrag“, gelobte Behörden-Sprecher Rainer Erbe zügige Nachbesserung. Sollte das OVG den gestrigen Beschluß allerdings bestätigen, müsse das Planfeststellungsverfahren notfalls neu aufgerollt werden. An der Hafenerweiterung werde in jedem Fall festgehalten, teilte Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus gewohnt optimistisch aus dem fernen Portugal mit. Sein Staatsrat Heinz Giszas dagegen drückte sich gestern um eine Stellungnahme herum: Er sei „wegen wichtiger Termine“ nicht erreichbar, bedauerte Sprecher Erbe.

Altenwerder-Anwalt Martin Hack wunderte sich gestern, daß schon „gravierende Mängel beim Naturschutz“ dem Gericht reichten. Denn die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Hafenentwicklungsgesetzes und der fehlenden Untersuchung schonenderer und kostengünstigerer Alternativen habe das Gericht noch gar nicht behandelt.

Die Handelskammer kam über die „Hiobsbotschaft“ nicht weg: Ohne Altenwerder könne sich Hamburg aus dem Konzert der nordeuropäischen Häfen verabschieden. Auch die CDU warf dem Senat Schlampigkeit vor. Praktische Hilfe dagegen kam von GAL-Wirtschaftssprecher Alexander Porschke: Er empfahl, „die im laufenden Jahr für die Hafenerweiterung eingestellten zwei Millionen Mark beschäftigungswirksam für die Ausweitung des Programms ,Tariflohn statt Sozialhilfe' einzusetzen“.

(Weiterer Bericht Seite 6)

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