Türken in die CDU

■ Unzufriedenheit mit SPD und Grünen treibt immer mehr MigrantInnen ins CDU-Lager

Spätestens wenn die Türkei in die EU aufgenommen wird, dann wird der Kampf um die Wählerstimmen der türkischen MigrantInnen beginnen. In Berlin jedenfalls wird die CDU gut vorbereitet sein. Dort hat sich jetzt die „Deutsch-Türkische-Union“ (DTU) gegründet, die als „deutsch-türkisches Forum der CDU“ fungieren soll. Bevorzugte Zielgruppe ist der türkische Mittelstand, möglichst mit deutschem Paß. In Berlin werden Einbürgerungsverfahren zügig bearbeitet, über 20.000 Anträge von TürkInnen liegen momentan vor. Demnächst könnten drei bis vier Prozent der Wahlberechtigten türkischer Herkunft sein. Damit ist in Bremen so bald nicht zu rechnen, denn die hiesige Einbürgerungspraxis ist nicht so großzügig. Der Anteil der türkischen BürgerInnen im wahlfähigen Alter beträgt zwar ca. 3 Prozent, nur, die wenigsten von ihnen dürfen wählen. Deshalb wird es hier wohl keine „Deutsch-Türkische-Union“ a la Berlin geben. Außerdem gebe es in Bremen bereits eine gute Zusammenarbeit zwischen den Türken und der CDU, so der Vorsitzende des türkischen Zentralverbandes und CDU-Mitglied Aydin Findikçi. Findikçi ist vor einem Jahr aus der SPD ausgetreten, weil „die SPD eine total einseitige Ausländerpolitik gemacht hat“. Er wirft der SPD vor, daß sie hauptsächlich parteinahe Organisationen, wie den DAB (Dachverband der Ausländerkulturvereine) gefördert habe.

Daß die CDU die doppelte Staatsbürgerschaft und das kommunale Wahlrecht torpediert, das stört den Vorsitzenden des türkischen Zentralverbands offenbar nicht. Einig sei man sich darin, daß gewalttätige Ausländer sofort abgeschoben werden sollten. Besonders gut komme bei vielen TürkInnen auch das Votum der CDU für die Aufnahme der Türkei in die EU an. Tatsache ist, daß die Bremer CDU im vergangenen Jahr Verstärkung durch 50 türkische Mitglieder bekommen hat. Dabei auch „klassische Arbeiter, die sich von der Parteinahme durch SPD und Grünen für die Kurden persönlich verletzt fühlten“, sagt Ronald Mike Neumeyer, Fraktionsvorsitzender der CDU. Die Gründung einer DTU findet Neumeyer überflüssig: “Ich sehe es lieber, daß die TürkInnen aktiv bei unseren Stadtbezirksverbänden dabei sind“.

„Wenn man die Bedingungen für die Ausländer in Deutschland verbessern will, muß man mit den etablierten Parteien zusammenarbeiten. Die Deutsch-Türkische-Union ist ein Produkt dieser Überlegung“, meint Cigdem Akkaya, stellvertretende Leiterin des Zentrums für Türkeistudien in Essen. Eine der neuesten Untersuchungen des Zentrums hat ergeben, daß der Anteil der TürkInnen, der heute SPD wählen würde von 80 auf 49 Prozent gesunken ist. Trotzdem hat die SPD noch den größten Anteil an türkischen Mitgliedern. Cigdem Ackaya: “Viele Türken bewerten die Parteipolitik nach zwei Aspekten: Ausländer- und Türkeipolitik“.

In der Ausländerpolitik schneiden Grüne und SPD zwar ganz gut ab, nicht so in der Türkeipolitik. „So eine Äußerung von Schröder, daß es in der Türkei zu einem Genozid an den Kurden komme, hat auch unter SPD-Türken eine starke Reaktion hervorgerufen“, berichtet Cigdem Akkaya. „Wenn man sich als Migrant sowieso schon benachteiligt fühlt, dann ist man besonders empfindlich, wenn die Heimat kritisiert wird. Dann fühlen sich viele doppelt als Opfer“, meint Akkaya.

In Bremen sind die meisten TürkInnen nicht nur mit der Türkeipolitik der SPD und der Grünen unzufrieden. Sie kritisieren auch heftig die Ausländerpolitik. „Es wurden zwar von oben her Strukturen geschaffen, wie der DAB, der ein gutes Konzept hat, aber die MigrantInnen wurden zu wenig an politischen Entscheidungen beteiligt. Man kann die Ausländer nicht integrieren, wenn man sie nicht daran beteiligt“, meint Zerin Dalhoff, Mitarbeiterin und einzige Migrantin im Referat Ausländerintegration bei der Sozialsenatorin. Die Gründung des türkischen Zentralverbandes sei eine Folge dieser Politik.

Trotzdem – vor allzu einfachen Antworten warnt Zerin Dalhoff: „Zuschreibungen wie, die SPD ist die Partei für die Kurden oder die nationalistischen Türken gehen zur CDU, sind fatal. Was in Bremen dringend erforderlich ist, ist eine differenzierte Analyse der Ausländerpolitik der letzten 20 Jahre“.

Beate Hoffmann