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Mit Bomben gegen den Sozialabbau

■ „Klasse gegen Klasse“ bekennt sich zu Anschlag auf Haus von FU-Professor

Zu dem Sprengstoffanschlag auf das Haus des FU-Juraprofessors Klaus Adomeit in Steglitz und zu drei Brandanschlägen auf „Luxuskarossen“ hat sich die militante Kreuzberger Gruppe „Klasse gegen Klasse“ bekannt. In einem Bekennerschreiben, das der taz vorliegt, begründete die Gruppe den Anschlag auf Adomeit mit einem Gutachten für die Ludwig-Erhard- Stiftung vom Dezember 1995, in dem der Rechtswissenschaftler den Verzicht auf Tariflöhne gefordert habe.

„An der Rückseite seines überaus noblen Privathauses wurde ein Sprengkörper gezündet, in den umliegenden Straßen mehrere Luxuskarossen in Brand gesetzt“, heißt es in dem Schreiben. Menschenleben seien nicht in Gefahr gewesen. Zufall ist dagegen offensichtlich, daß die Besitzer der zerstörten Pkw, darunter ein Porsche und eine Corvette, allesamt der Baubranche angehörten. Diesen Zusammenhang hatte die Polizei zunächst vermutet.

In dem Schreiben mit der Überschrift „Der süße Traum eines Klassenfeindes und sein gar schreckliches Erwachen“ wird Adomeit, der demnächst bei den FU-Juristen als Dekan antritt, als Vorkämpfer der Arbeitgeberinteressen dargestellt. Flächentarifverträge, so „Klasse gegen Klasse“, sollten nach Adomeits Vorstellung künftig nur noch geringe Rahmenbedingungen vorgeben, Einkommenshöhe und Arbeitszeit würden dann auf Betriebsebene ausgehandelt. Adomeit selbst war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

In ihrem neunseitigen Schreiben gehen die Kreuzberger Kiezkämpfer, auf deren Konto in den vergangenen Jahren über 50 Anschläge gegen Nobelrestaurants, aber auch Drohungen gegen Dachgeschoßbewohner und Ladenbesitzer gingen, ausführlich auf die derzeitigen Debatten um den „Standort Deutschland“ und die Politik von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ein. „Es vergeht gegenwärtig kein Tag ohne Angriffe auf Tariflohnvereinbarungen und das ,Sozialsystem‘“, heißt es in dem Schreiben, in dem sich die Verfasser ausdrücklich auf die derzeitigen Proteste gegen die Sparpolitik des Senats beziehen. Die eigenen Anschläge stellt die Gruppe auch in Kontext zu den Demonstrationen gegen Sozialabbau. Militanten Aktionen wie der gegen Adomeit komme „in der gegenwärtigen Situation des noch nicht Bestehens eines breiten Widerstands unserer Klasse vor allem die Funktion der Propaganda zu“.

Mit den Anschlägen meldet sich „Klasse gegen Klasse“ nach einer einjährigen Abstinenz zurück. Im März 1995 hatte sich die Gruppe zu zwei Brandanschläge gegen Luxuslimousinen bekannt. Kurz zuvor war auf das Haus eines Polizeibeamten ein Farbanschlag verübt worden. Der Beamte war für die Durchsuchung einer Kreuzberger Schule verantwortlich, deren Schüler in Marzahn mit rechten Jugendlichen aneinandergeraten waren. taz

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