: Anregend von hart bis zart
■ Lücke auf St. Pauli: Der Revolt Shop, Deutschlands ältester schwuler Porno-Laden und beliebte Beratungsstelle, macht heute dicht Von Maja Schuster
„Ich möchte nicht mit fünfundsechzig hinterm Ladentisch stehen und mit zittrigen Händen Dildos verkaufen“, beschreibt Michael Hartleben seine Horrorvision. Der Inhaber des ältesten schwulen Porno-Ladens Deutschlands wird dessen Türen heute für immer schließen.
Doch der Revolt Shop in der Clemens-Schultz-Straße 77 war nicht nur Porno-Laden für Schwule – für viele Kunden schließt eine beliebte und gewohnte Beratungsstelle. Vor zwanzig Jahren begannen Michael Hartleben und sein vor einigen Jahren gestorbener Lebensgefährte und Geschäftspartner Wolfgang Stadler mit dem Verkauf von Anregendem und Aufregendem – von hart bis zart, immer wurden die Kunden ausführlich beraten. Weit offen standen ihre Ohren, Zeit und Geduld für allerart Probleme waren beliebte Artikel.
Anfangs gab es fast nur Pornohefte, später auch Bücher, Postkarten, Wäsche, Intimschmuck und andere innovative Artikel für Lust und Laune. Das Schwulen-Pornokino haben Hartleben und Stadler wegen der Aids-Problematik 1981 geschlossen. „Wir wollten vermeiden, daß Dinge passieren, die zur Infektion führen.“ Die sechs Klappstühle wanderten auf den Dachboden.
„Ich glaube, daß wir mehr Emanzipation geleistet haben als alle Selbsthilfegruppen zusammen“, ist Michael Hartleben ein bißchen stolz. „Es war einfach praktischer angelegt“; beim Stöbern im Laden konnten Gespräche entstehen. Beide wollten gerade auch die jüngeren Männer bei ihrem Coming out unterstützen und stärken. „Oft haben wir die Kunden an einer ganz intimen Stelle gepackt“, erinnert sich Hartleben.
Manchen vom Stamm-Publikum kamen die Tränen, als sie hörten, daß der Revolt Shop – samt Buchladen Lebenslust – schließt. Seit über einem Jahr hat Hartleben nach einem Käufer gesucht, viele jüngere Männer hatten nicht genug Geld: „Man bekommt von keiner Bank Geld für einen Schwulen-Pornoladen.“ Da es keinen Nachfolger gibt, wird er in den nächsten Tagen das Geschäft leer räumen, die Artikel an andere Läden verkaufen. Die Räume werden neu vermietet. „Wie mir am Samstag abend zumute sein wird, wenn ich das letzte Mal die Tür zuschließe, kann ich überhaupt nicht einschätzen“, sagt der Fünfzigjährige und ist ein bißchen wehmütig. Doch zwanzig Jahre Porno-Verkauf seien einfach genug.
Noch sind Hartlebens Zukunftspläne nicht konkret, er will ein Buch über die zwanzig Jahre Geschäftsleben schreiben, über seine Erfahrungen mit Kunden und den circa fünfzig verschiedenen Mitarbeitern, die „netten Geschichtchen“ erzählen und so die Zeit noch einmal geistig durchleben.
Bis 18.30 Uhr steht die kleine Tür des etwas anderen Ladens heute noch offen, um Tschüß zu sagen – und vielleicht noch einen herabgesetzten Knüller abzustauben.
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