Raus aus dem Haus

Norma Klein fand es toll, sich in junge Leute hineinzudenken. Sie hatte nie das Gefühl, sich zu verstellen, wenn sie für Teenager schrieb. Ihre Bücher vermitteln das Lebensgefühl von Jugendlichen aus den 70er und 80er Jahren  ■ Von Marie Müller

Norma Klein war New Yorkerin. Sie starb 1989 mit 51 Jahren. Sie schrieb meist über und für Teenies, und meistens war New York der Hauptspielort. Sie schrieb nicht problemorientiert. Ihre Geschichten liegen immer eingebettet in das runde Leben. Sie schlüpfte in die Rolle der Hauptperson und erzählte so direkt aus der Sicht des Jugendlichen. Und das gelang ihr mit Bravour. Da stimmt jedes Wort und es wird niemals platt. Ihre Bücher sind auch für Eltern gespickt mit Aha-Erlebnissen. Da kann man erkennen, wie völlig abnervend Eltern sind, die sich streiten oder scheiden oder auch nur ihre ganz normale Unfähigkeit demonstrieren, mit dem Leben zurechtzukommen.

Wenn Väter lieben

Elise wünscht sich, daß sich ihre Eltern noch liebhaben, so wie früher. Auch wenn sie sich daran nicht erinnern kann. Einmal muß es gewesen sein. Damals hat der Vater seine Familie verlassen, um Elises Mutter zu heiraten. Das einzige, was an damals erinnert, ist Elise. Beide Eltern buhlen um ihre Liebe. Der Vater ist der Gewinner. Er ist Chefarzt, ein berühmter Mann, lebensfroh und lustig. „Ohne dich“, pflegt er seiner Tochter zu sagen, „wäre das Leben nichts wert.“ Die Frau an seiner Seite ist depressiv. In Anwesenheit ihres berühmten Mannes wirkt sie eingeschüchtert, kann nichts essen. Elise mag beide, auch wenn es mit dem Vater viel lustiger ist. Die vitale Großmutter haßt ihren Schwiegersohn und läßt keine Gelegenheit aus, es ihm zu zeigen. Elisa weiß, daß der Vater versucht, die Großmutter von ihr fernzuhalten, aber Elisa mag auch ihre Großmutter. Sie zeigt das allerdings nur vorsichtig, weil der Vater sofort mit Liebesentzug reagiert.

Das ist der Anfang einer langsamen Loslösung vom beherrschenden Vater. Wichtig ist dabei, daß sie ihre Stiefschwester trifft, die ihr genau zeigt, wie Unterdrückung funktioniert. An der Mutter wird es ihr vorgeführt. Der Vater entledigt sich der störenden Person und läßt sie in einer Psychiatrie verschwinden. Lange Zeit ist Elise in dem Spinnennetz der Gefühle gefangen. Erst als es gilt, ihre Mutter zu retten, weiß sie, auf welche Seite sie gehört. Sie befreit sich von ihrem Vater. Der hat schon vorgesorgt. Eine neue Frau mit kleinem Mädchen wartet, damit das Leben wieder lebenswert für ihn wird.

Trennungen

Ali Rose lebt mit ihrer Mutter, deren Freundin Peggy und ihrem Bruder Martin in New York. Das war nicht immer so. Früher lebten sie mit dem Vater zusammen, der Anwalt ist, in Kalifornien. Am liebsten wäre es ihr, es wäre alles so wie früher. Doch wenn sie jetzt mit Martin über die Sommerferien nach Kalifornien fliegt, muß sie sich von ihrer Mutter trennen. Sie mag beide, Vater und Mutter, und sie haßt Trennungen. Ihre beste Freundin Gretchen lebt natürlich ebenfalls in Kalifornien. Ali ist glücklich. Mit Gretchen fühlt sie sich schon nach einem Tag, als wäre sie nie weg gewesen. Mit Vaters neuer Frau ist es schon schwieriger. Sie ist zu therapeutisch. Und Vater ist lieb, aber meistens nicht da – wie früher auch. Nur wenn es um ihre Mutter und Peggy geht, wird der Vater hellhörig. Wer ist diese Peggy? Und schon bald ist er sich sicher. Das ist eine lesbische Beziehung. Dann geht der Jurist mit ihm durch. Neue Möglichkeiten eröffnen sich, das Sorgerecht für die Kinder zu bekommen. Für Ali Rose ist es wie eine wilde Karussellfahrt. Sie liebt alle, Vater, Mutter, Gretchen und neuerdings auch noch Gretchens Bruder. Natürlich wäre es schön, in Kalifornien zu bleiben, aber ohne Mutter? Und sind Mutter und Peggy wirklich ineinander verliebt? Warum hat sie nie darüber geprochen? Ali Rose weiß nicht, was tun.

Schwanengesang

Eigentlich hat Joel Angst vor Mädchen. Sein Freund Berger dagegen kann an keiner vorbeigehen, ohne einen Spruch abzulassen. So ist Joel mehr als erstaunt, als er von einer blonden Schönheit namens Leda angerufen wird. Sie will ihn treffen und nicht Berger. Joel ist Feuer und Flamme und kann es doch nicht glauben. Alles geht wider Erwarten so einfach. Sogar eine sturmfreie Bude bietet sich an. Beide haben kaum Erfahrung in Sachen Liebe und sind entsprechend aufgeregt. Joels großer Bruder behauptet zwar, daß das erste Mal ganz nett, aber nicht der Rede wert ist. Aber Joel sieht das anders, schließlich ist er kein Frauenheld.

Sicherheitshalber greift er lieber zum Sexbuch seiner Eltern. Da steht, daß sexuelle Liebe „etwas gefährlich werden und die größten und tiefsten Gefühle bescheren kann“. Joels Spannung steigt. Als Leda kommt, kann er kaum sprechen. Sie retten sich in Konventionen. Ein schönes Abendessen bei Kerzenlicht, für das Leda extra ein Abendkleid anzieht und Joel Vaters Weinvorrat schmälert. So schaffen sie es doch, ganz entspannt ins Bett zu gehen und erleben ein harmonisches „erstes Mal“. Doch ihre Freundschaft bekommt bald einen Knacks. Leda hat versprochen, sich um die Verhütung zu kümmern, vergißt es aber manchmal. Ihre Schwangerschaft, die mit einer Abtreibung endet, zeigt ihnen die Grenzen ihrer Gefühle. Ohne Groll, eher verwundert schauen sie auf ihre Liebe zurück.

Ein ruhiges, vergnügliches Buch über die erste Liebe. Norma Klein braucht keine falsche Dramatik. Sie versteht es, sich in die Jugendlichen einzufühlen und das Große in den kleinen Dingen des Lebens zu sehen und treffend zu beschreiben.

Norma Klein: „Trennungen“. Alibaba-Verlag, ab 12 Jahre, 24 DM

Norma Klein: „Daddys Darling“. dtv pocket plus 78067, ab 12 Jahren, 9,90 DM

Norma Klein: „Leda und die Anfänge der Liebe“. Fischer Schatzinsel, ab 12 Jahre, 12,90 DM.