: Unter Tänzern
■ A-Chorus-Line auf sächsisch: Jede Menge Eifersucht und Rivalität im "Tatort: Bei Auftritt Mord" (So., 20.15 Uhr, ARD)
Auf der Suche nach einer gut ins Bild zu setzenden „Tatort“-Story hat der MDR diesmal unter seinem eigenen Dach ermittelt. Und ist dabei auf das hauseigene Fernsehballett gestoßen, jene Nachfolgetruppe des legendären Balletts des Fernsehens der DDR unter der Leitung von Emöke Pöstenyi.
Herausgekommen ist bei diesem senderinternen Recycling allerdings ein eher konventionell geschnittenes Kammerspiel. In Agatha-Christie-Manier spüren Kommissar Ehrlicher (Peter Sodann) und Assistent Kain (Bernd Michael Lade) einem mysteriösen Giftmischer nach, der seine Tötungsabsichten auf Plakaten in der ganzen Stadt kundtut. Wie beim häuslichen Mörderspiel ist einigen der agierenden Damen und Herren alles zuzutrauen, und bis am Ende der Täter dann doch gefaßt ist, nehmen wir an einer Exkursion in die Welt des Tanzes teil.
Obsessionen, Eifersucht, Karriererivalitäten – eine Art „A Chorus Line“ auf sächsisch. Mathieu Carrière wirkt als zynischer Chef der von einer finanziellen Krise in die nächste steppenden Truppe irgendwie komplett fehlbesetzt. Seine rigide Kaltschnäuzigkeit will nämlich einfach so gar nicht zum ruhigen Fließen der Elbe bei Dresden passen.
Es entstammt denn wohl auch einer klebrigen Broadway-Phantasie, daß er von der ehrgeizigen Frederike (Natascha Graf) beschlafen wird, auf daß sie endlich solo trippeln darf. Das stört natürlich Elaine Morell (Ursula Karven). Auch wenn man es ihr eigentlich nicht ansieht, verrät ihr Name unwillkürlich, daß sie die alternde Primaballerina des Ensembles ist. Ein Haufen Verdachtsmomente, denen sich Ehrlicher zunächst mit stummer Bewunderung à la Columbo hingibt.
Mehr soll nicht verraten und muß auch nicht gesagt werden, denn der Reiz der Ehrlicher-Tatorte kommt allemal aus einem noch stark DDR-gesättigten Regionalismus, der selbst diesem Milieustück zwischen Bühne und Nachtclub eine unverwechselbare Färbung gibt.
Schöne Beine und ein bißchen Glitzer, das alles sollte neben der Eigenwerbung für das Deutsche MDR-Fernsehballett wohl auch ein kleiner Fluchtversuch aus dem gewöhnlichen Krimialltag sein. Dieser Ausbruch wäre dann allerdings im positiven Sinne mißlungen, denn seinen Charme entfaltet das Stück nur dort, wo Ehrlichers private Biederkeit für eine Tugend gehalten werden kann. „Guter Name für einen Kommissar“, meint auch Elaine Morell bei ihrer ersten Begegnung.
Das stimmt, und so werden weitere Ermittlungen nur dann erfolgreich sein, wenn am Tatort Dresden nicht nach der großen, weiten Welt gefahndet wird. Harry Nutt
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