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Briten meinen: Ab 70 ist der Wahnsinn egal

■ Rindfleisch bleibt meist im Regal, Bauern kriegen Hilfe und Kopfprämie für Kälber

Cambridge (taz) – Wer dieser Tage im englischen Cambridge durch die Lebensmittelgeschäfte auf der Suche nach Beef geht, muß den Klassenstandpunkt klären: Bei „Marks and Spencers“, dem hochwertigen Markengeschäft, gibt es teure und exklusive Rinderware von ausgewählten Züchtern schottischer und französischer Zuchtlinien, dazu Flugblätter mit glücklichen Kühen auf grünen Hügeln. Drei Minuten weiter, beim Durchschnittsladen „Sainsbury's“, findet sich dagegen in der Beef-Ecke Ramschfleisch zum halben Preis. Beim Billigladen „Coop“ wiederum gibt es überhaupt kein Rindfleisch mehr, von einem älteren Stapel Gehacktes unklaren Ursprungs abgesehen.

Unabhängig von der Imagepflege – gekauft wird wenig. Bei „Marks and Spencers“ bleibt die Luxusware im Regal, Billigsteaks bei „Sainsbury's“ interessieren nur ältere Damen auf der Jagd nach Sonderangeboten. „Wissen Sie“, rechtfertigt sich leise eine von ihnen, „in meinem Alter ist das doch egal. Ich bin schon 70, da macht es nichts, ob ich in zwanzig Jahren verrückt werde. Aber meinen Enkeln würde ich das nicht geben.“

Die Skepsis der Verbraucher ist vermutlich von den jüngsten Ankündigungen des Landwirtschaftsministers Douglas Hogg wenig gedämpft worden. Hogg erklärte vor dem britischen Unterhaus am Donnerstagabend, es sei ab sofort „vorläufig“ verboten, Produkte von über 30 Monaten alten Rindern zu verkaufen. Dies entspricht einem Vorschlag der britischen Bauerngewerkschaft. Allerdings, so deren Vorsitzender David Naish, müsse noch geklärt werden, was die Bauern nun mit ihren alten Kühen machen sollen. Für eine Massenschlachtung fehlt die Infrastruktur.

Weitere Maßnahmen Hoggs sind eine Kopfprämie von hundert Pfund für die Schlachtung von neugeborenen männlichen Kälbern – das soll die absehbaren Rindfleischüberschüsse frühzeitig verringern. Außer Nervensträngen und Gehirngewebe werden jetzt auch Lymphdrüsen und der Kopf von Rindern wegen der Gefahr von BSE-Verseuchung von der Verarbeitung ausgeschlossen.

Die britische Regierung hofft nun auf EU-Hilfen für eine eventuelle Notschlachtung der aus dem Verkehr gezogenen älteren Rinder. Bauernvertreter fordern eine Entschädigung von 75 Prozent des Vor-Krisen-Marktwerts. Britische EU-Politiker haben in Brüssel für EU-Mithilfe geworben mit dem Argument, dadurch sei euroskeptischen Bauern der Sinn der EU- Mitgliedschaft näherzubringen. Eine Entscheidung wird am kommenden Montag erwartet, wenn sich die EU-Agrarminister in Brüssel treffen. Dominic Johnson

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