Werbezeit für einen Neonazi

Der Betreiber des Berliner Nationalen Infotelefons darf bei Sat.1 mitdiskutieren. Er ist Gast der Talkshow „Vera am Mittag“. Trotz heftiger Angriffe in der Sendung verbucht er seinen Auftritt als Erfolg  ■ Von Barbara Junge

Sendezeit ist Sat.1 für nichts zu schade, auch nicht fur einen Neonazi. Wo sonst bei „Vera am Mittag“ Hermann bekennt, daß er schwul ist und sich seinen Sex hin und wieder käuflich ersteht, oder Gabi ihren zu kleinen Busen bedauert, wird heute Ulli Boldt, der Betreiber des Berliner Nationalen Infotelephons (NIT), stehen und verkünden, das alles Nichtdeutsche raus muß aus Deutschland. Alles ist erlaubt und alles ist gleich: auch Neonazis sind bekennende Deutsche – die Talkshow, so sie gesendet wird, macht's möglich.

Der Kirch-Kanal strahlt, so steht's im Programmplan, die bereits aufgezeichnete Talkshow zum Thema „Neonazis – Der Terror von rechts“ aus. Mit von der Partie bei Moderatorin Vera Int- Veen sind Peggy Parnass, laut Gästeliste „Das schlechte Gewissen Deutschlands (sie hat über 20 Angehörige in KZs verloren)“, Burkhard Schröder, Autor mehrerer Bücher über Neonazis, zwei angebliche Aussteiger aus der rechten Szene, einer davon der Berliner Oliver Kulick, und schließlich besagter Ulli Boldt. Seine Vorankündigung auf der Gästeliste gibt eine Vorschau darauf, was bei der Talkshow diskutiert wird: „der alles Undeutsche aus Deutschland vertreiben will“.

Stargast Boldt betreibt seit etwa zwei Jahren das NIT und ist als einer der Vorsitzenden der Berliner Kulturgemeinschaft Preußen (BKP) mitten im Zentrum des organisierten Rechtsextremismus der Stadt. Für die BKP arrangiert und verantwortet er unter anderem die alljährliche Wallfahrt von Alt- und Neonazis aus der ganzen Republik und bekennenden Faschisten aus anderen europäischen Ländern ins brandenburgische Halbe zum Heldengedenktag.

Die BKP ist eine der Schnittstellen von militanten Nazis und seriösen Rechtsextremisten. Der Inspektionsleiter beim Berliner Landeskriminalamt für Rechtsextremismus und ausländerfeindliche Straftaten schätzt Boldts Auftreten so ein: „Im Moment ist die Szene etwas in den Schlupflöchern untergetaucht, deshalb versucht Boldt über Öffentlichkeitsarbeit rechtes und nationales Gedankengut in die Diskussion zu bringen.“ Außerdem sei Boldt bestimmt daran gelegen, seinen Stellenwert in der Szene durch einen öffentlichen Auftritt noch zu verbessern. Boldts Konzept scheint aufgegangen zu sein. Zumindest wirbt er auf dem Ansageband seines Infotelephons für die Show.

In der Sendung machte Boldt Zoff: Er wurde von der Moderatorin beim Ablassen seines nazistischen Sermons unterbrochen, und Peggy Parnass flankierte die Angriffe auf Boldt mit den Greueltaten der Nazis. Was kann sich eine Talkshow, der es nicht um Inhalte, sondern um die Quote geht, sonst noch wünschen?

Man wolle natürlich nicht Boldts politische Richtung unterstützen, war beim Sender zu erfahren, „nur Information bieten und halt ein bißchen drüber reden“, erklärte ein Mitarbeiter der Sendung. Also business as usual. Oder wie Schröder, der drapierte Gegner des Neonazis, es ausdrückt: „In Talkshows sorgen am besten rechts und links für Randale, so einfach ist das Konzept.“

Ausstrahlung heute, 12 bis 13 Uhr, auf Sat.1