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„Verteidiger-Question“ noch nicht beantwortet

■ Ohne die Stars aus Köln und Düsseldorf gewann die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft das Länderspiel gegen die Niederlande mit 4:1

Kaufbeuren (taz) – Eigentlich kann man sich schwerlich einen ungeeigneteren Termin für ein Eishockey-Länderspiel vorstellen. Das Fernsehen bot nämlich fast zeitgleich ein absolutes Topsportangebot. Bayern München gegen den FC Barcelona und auf premiere Kölner Haie gegen Düsseldorfer EG im Kampf um die deutsche Eishockey-Meisterschaft. Wer mochte sich da an einem kalten Dienstag freiwillig ins Stadion setzen? Dazu noch in Kaufbeuren. Eine zwar ehrwürdige, aber windige Arena mit nicht eben vertrauenerweckendem verdrahtetem Uraltdach. Gut, daß die Allgäuer noch nicht sklavisch an Luxus hängen, denn immerhin fanden sich 1.000 Getreue ein und ließen damit das Länderspiel nicht zur völligen Nebensache verkommen.

Wenn es sich um Fußball handelt, ist die Paarung Deutschland – Holland ein Ereignis für die ersten Häuser. Daß in Holland auch Eishockey gespielt wird, ist für viele, auch gut informierte Fans, ziemlich neu. Wenn überhaupt, dann kann man sich die Oranjes bei uns gerade noch auf Schnellaufkufen vorstellen. Und vergißt dabei, daß auch die Niederländer Verwandtschaft in Übersee haben. Kanada sei Dank! Und so sind die Nachbarn schon lange keine Exoten mehr im Eishockey. Schließlich gehören sie seit einiger Zeit zu den ersten vier der B-Gruppe und haben in diesem Jahr sogar die Möglichkeit, sich gegen die Schweiz für Olympia zu qualifizieren. Also durchaus Hockey im Land der Tulpen.

Und dies nicht erst seit gestern. Die Reiferen unter den Fans können sich vielleicht noch an Dick Decloe erinnern; Ende der siebziger Jahre einer der guten Torjäger in der damaligen Bundesliga. Der aktuelle Goalgetter der Niederländer heißt Dave Livingston und verdient seine Brötchen bei Sundsvall in Schweden. Kein Mann, nach dem sich jeder DEL-Verein die Finger lecken würde. Immerhin kann er es sich als Verdienst anrechnen, die deutsche Auswahl aus ihrem verlängerten Mittagsschlaf gerissen zu haben. Man war schon mit einem Bein in der Kabine, als Livingston energisch antrat und präzise abschloß. Null zu eins kurz vor Ende des ersten Drittels.

Eine kleine Blamage, auch wenn die Kingston-Boys ohne ihre Kollegen aus Köln und Düsseldorf angetreten waren. Die Zuschauer staunten ein wenig, benügten sich aber damit, leise zu murren, zu kräfteraubendem Protest war es einfach zu kalt. Im Verlauf des zweiten Drittels wurde dann zwar nicht alles gut, aber vieles besser. George Kingston schien seinen Männern erklärt zu haben, daß es im Hinblick auf die WM in Wien durchaus noch rentabel sein könnte, einen Gang hochzuschalten. Zumindest die „VerteidigerQuestion“, wie er es in der Pressekonfenrez formulierte, scheint noch nicht völlig geklärt zu sein.

Entsprechend konzentriert gingen die Defensivkräfte zu Werke. Von nun an blieb der Laden hinten dicht, und im Angriff sah alles etwas schneller und konzentrierter aus. Zu schnell für die Niederländer, wie Coach Doug Mason bereitwillig eingestand: „Ein Tempo, das meine Spieler nicht gewöhnt sind.“ Gute zehn Minuten genügten den DEL-Profis, und der tüchtige Keeper Martin Trommeln von den Tillburg Trappers mußte viermal seine Kelle dazu verwenden, den Puck aus dem Tor zu klauben. Während der Ausgleich zum 1:1 noch auf das Konto des routinierten Devils-Duos Brittig/Rumrich aus Berlin ging, besorgte der Nachwuchs in Gestalt von Keller, Reichel und Hecht den Rest. Zum Wohlgefallen des deutschen Head- Coaches: „Dieses Spiel diente nicht nur als WM-Test für die Stammspieler, sondern vor allem auch dazu, die jungen Nationalspieler auf die übernächste WM vorzubereiten.“

Eine Aussage, die manches erklärt. Zum Beispiel, warum sich George Kingston in der C-Phase einer WM-Vorbereitung ausgerechnet einen vergleichsweise mickrigen Partner wie die Holländer ausgesucht hat. Zum anderen ein Statement, das den Jungen Hoffnung gibt. Die Hoffnung, in den kommenden, für sie schweren Zeiten der EU-Spielerschwemme nicht völlig über Bord gespült zu werden. Albert Hefele

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