Bonn und Zagreb: Vor neuer militärischer Allianz?

■ Koschnicks Rücktritt signalisiert Tendenzwende in der deutschen Balkanpolitik

Mostar (taz) – Hans Koschnick, ehemaliger Administrator der Europäischen Union in Mostar, hat gestern gegenüber der taz zu erkennen gegeben, daß sein vorzeitiger Rücktritt auch im Verhalten deutscher Außenpolitiker bei den Dayton-II-Verhandlungen in Rom begründet liegt. Die deutsche Delegation hatte die Politik Koschnicks, Mostar zu einer multiethnischen Stadt wiederzuvereinen, bei diesem Treffen Anfang März in Rom nicht mehr uneingeschränkt unterstützt und unerwartete Zugeständnisse an die kroatische Seite gemacht.

Die Entscheidung von Rom erhielte nur dann einen Sinn, so Koschnick, wenn Deutschland den kroatischen Präsidenten Tudjman um jeden Preis habe halten wollen. Laut Koschnick gibt es Hinweise darauf, daß militärische Interessen im Spiel sind. Offen ließ Koschnick, ob diese militärische Zusammenarbeit zwischen Bonn und Zagreb bilateral erfolgt oder im Rahmen der WEU, des westeuropäischen Verteidigungsbündnisses, steht. „Wenn ich höre“, so Koschnick, „daß Absprachen stattfinden sollten, die eine künftige Zusammenarbeit der Bundeswehr mit der kroatischen Armee zum Ziel hatten, dann ist es auch ganz leicht, den Mann in Mostar preiszugeben. Mag sein, daß es sich dabei um eine europäische Arbeitsteilung innerhalb des Bündnisses handelt.“

Keineswegs wolle er ein Hindernis für die Implementierung des Dayton-Abkommens sein, sagte Koschnick. Er habe jedoch schon vor dem Treffen in Rom klar zu erkennen gegeben, er werde zurücktreten, wenn weiter mit jenen Verantwortlichen der kroatischen Seite verhandelt wird, die jegliche Zusammenarbeit mit der EU-Adminstration in Mostar ablehnen und für die direkten Angriffe auf ihn und seine Mitarbeiter verantwortlich sind. Diese Kritik an dem Verhalten der kroatischen Führung in Mostar sei von den europäischen Mitgliedern der Konferenz nicht ernstgenommen worden. Sein Rücktritt sei nur folgerichtig gewesen. Hätten die Europäer und die Deutschen seine Position gedeckt, wäre ein Konflikt mit der kroatischen Regierung und dem kroatischen Präsidenten Tudjman die unausweichliche Folge gewesen.

Treffen die Vorwürfe Koschnicks zu, zeichnet sich in Bonn eine Trendwende in der deutschen Außenpolitik ab. Bisher hatte sich die Bonner Regierung bemüht, auf dem Balkan jeden Anschein eines Alleingangs oder einer besonderen Interessenpolitik zu vermeiden.

Eine direkte militärische Zusammenarbeit Deutschlands mit Kroatien brächte die deutsche Außenpolitik in gefährliche Turbulenzen. Der Glaubwürdigkeitsverlust auf dem Balkan wäre unabschätzbar. Erich Rathfelder