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PDS torpediert SED-Aufarbeitung

Die Enquetekommission des Schweriner Landtages stellt ihre Arbeit ein. Anlaß ist der Streit um eine Ausstellung, die der PDS zufolge nur einer „Delegitimierung“ der DDR dienen soll  ■ Von Anita Kugler

Berlin (taz) – Dicke Luft in Schwerin. Die Enquetekommission des Landtages Mecklenburg- Vorpommern zur Erforschung der SED-Vergangenheit steht kurz vor ihrer Auflösung. Zwei ihrer insgesamt 18 Mitglieder erklärten ihren „unwiderruflichen“ Austritt, und die Kommissionsvorsitzenden, Landtagspräsident Rainer Prachtl (CDU) und sein Vize Manfred Rißmann (SPD), sagten bis auf unbestimmte Zeit alle Sitzungstermine ab, auch das für den 20. April geplante öffentliche Hearing über das „Wirtschafts- und Sozialsystem der DDR“.

Die Enquetekommission mit dem Namen „Leben in der DDR, Leben nach 1989 – Aufarbeitung und Versöhnung“ wurde auf Betreiben der SPD in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU 1995 eingerichtet. Sie ist neben der seit 1992 existierenden Bundestags- Enquetekommission die einzige, die auf regionaler Ebene arbeitet.

Von „Aufarbeitung und Versöhnung“ kann seit Ende März nicht mehr die Rede sein. Zum Eklat kam es, als die Vertreter der PDS, Gerhard Bartels und Arnold Schoenenburg, sich weigerten, im Rahmen der Kommissionsarbeit die Wanderausstellung des Bundesjustizministeriums „Im Namen des Volkes – Über die Justiz im Staat der SED“ im Schweriner Landtag zu zeigen. Die Ausstellung wurde 1994 in Berlin eingeweiht und soll 1997 im Haus der Geschichte in Bonn ihren endgültigen Platz finden. Die PDS lehnte die Präsentation ab, weil sie die DDR-Rechtsprechung nur „einseitig“ zeichne. Obmann Schoenenburg: Die Darstellung soll zur „nachträglichen Delegitimierung des SED-Regimes“ beitragen. Die Justiz der DDR soll als „entartet vorgeführt werden“.

Weil die Kommission nach der Geschäftsordnung nur einstimmige Beschlüsse fassen kann, glich die Weigerung der PDS-Vertreter einem Sprengsatz. Hans-Jürgen Pohl, Landesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, und Monsignore Reinhold Janiszewski, Vertreter der katholischen Kirche, legten sofort ihr Mandat nieder. Pohl, selbst viele Jahre inhaftiert: Das Ziel der PDS sei nicht „Aufarbeitung“, sondern die „Verdunkelung und Verharmlosung des Unrechtsstaates DDR und seiner Klassenjustiz“. Große Aufregung herrschte nach dem Nein der PDS auch bei den SPD- und CDU-Mitgliedern sowie bei den in der Kommission, aber nicht im Landtag vertretenen Delegierten von FDP und den Bündnisgrünen. Sie erklärten, in dem Gremium vorläufig nicht mehr mitarbeiten zu wollen, verließen demonstrativ den Plenarsaal, um auf der Tribüne des Landtages Platz zu nehmen.

Herbert Helmrich, Kommissionsobmann der CDU-Fraktion: „Das ist ein Skandal“, eine „Verhöhnung der Menschen“, die PDS wolle „die Mauer des Schweigens, über das, was geschehen ist, aufrecht erhalten“. Hans-Joachim Hacker, SPD-Bundestagsabgeordneter: Die PDS „leistet einen bewußten Beitrag zur Verbrämung und Legendenbildung der DDR-Vergangenheit“.

Landtagspräsident Prachtl kündigte jetzt an, die umstrittene Ausstellung dennoch ins Land zu holen. Er wolle die Koalitionsfraktionen zu einem gemeinsamen Parlamentsantrag bewegen. Auf der nächsten Landtagssitzung am 24. April soll das Thema an „exponierter Stelle“ debattiert werden. CDU und SPD haben 53, die PDS 18 Mandate. Sollte sich die Enquetekommission jemals wieder zusammenraufen, ist ein weiterer Konflikt vorprogrammiert. Die PDS möchte sich nicht mit dem Mehrheitswillen abfinden, Forschungsaufträge zur Geschichte von Mecklenburg-Vorpommern nur an Universitäten zu vergeben.

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