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Christos anesti! oder Frohe Ostern

Auf Kreta wird genußvoll gefastet und hemmungslos gevöllt. Düfte von gegrillten Lämmern steigen auf. Anmerkungen zum griechischen Osterfest, wo Karfreitag erst am 12. April ist.  ■ Von Elke Backert

„Ich faste“, erklärte Maria ernsthaft und läßt sich ihre fritierten Tintenfischringe schmecken. Fasten? „Ja, die alten Frauen in Griechenland nehmen ihren Glauben ernst und halten die Fastenzeit bis Ostern ein. Wir jungen Leute oder wer hart arbeitet, braucht nur zwei Tage zu fasten, Karfreitag und Karsamstag.“ Verständnislos blicke ich auf ihren Teller. Unter Fasten verstehe ich Enthaltsamkeit. Im griechisch-orthodoxen Glauben sei das anders, sagt sie, da dürfe man alles essen, was kein Blut hat, also Kalamarien, Oktopoden, Garnelen, Schnecken... Köstlich, die Vorstellung.

Maria, das muß ich dazusagen, gehört nicht dem orthoxen Glauben an. Gebürtige Holländerin, lebt sie seit Jahren auf Kreta. In Griechenland gilt Ostern als höchstes religiöses Fest. Und die Auferstehung zelebriert man nicht wie bei uns am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang. Zwar rechnen auch die Griechen seit 1927 das Jahr nach dem Gregorianischen Kalender, aber das Osterfest hatten orthoxe Kirchenväter auf dem Ersten Ökumenischen Konzil zu Nizäa im Jahr 325 nach dem Julianischen Kalender festgelegt. In der Ostkirche fällt das Datum auf den Sonntag vor Frühlingsneumond. Es wird also mindestens eine Woche später als bei uns begangen, 1996 am 14. April.

Rechtzeitg vor den Feierlichkeiten werden die Häuser weiß gepinselt, die Straßen gefegt und an Gründonnerstag die männlichen Lämmer geschlachtet. Auf dem Land hängt man sie an einem Baum auf, um sie zu häuten und auszunehmen. In der Stadt sieht man sie blumengeschmückt und mit starrem Blick an den Marktständen. Ostern auf griechisch.

Am Abend des Karfreitags mache ich mich auf den Weg zur Dorfkirche von Prines, nicht weit entfernt von Rethimnon, der Hafenstadt an der Nordküste. Mitten in die gregorianischen Gesänge knallen Feuerwerkskörper. Aus dem Kirchenportal tritt der bärtige Papas heraus, violett gewandet, mit Zopf und Kopfbedeckung. Er wird begleitet von Monstranzen- und Kreuzesträgern und einem Epitaph, einem symbolischen Sarkophag, in dem Jesus – in Form einer Holzikone – zu Grabe getragen werden soll. Diesem blumenübersäten Gestell folgt nun die Gemeinde mit Kyrieeleisons. Es duftet nach Weihrauch, Kinder rennen mit roten Lampions herum, eine Alte versucht trotz Krückstock Schritt zu halten.

Blütenblätter sollen Glück bringen

Bis zum Friedhof zieht die Prozession. Nur Kerzen erhellen die Dunkelheit. Am Ausgang des Dorfes läuten die Glocken der zweiten Kirche. Als die Träger das Epitaphs vor der Kirchentür hoch über ihre Köpfe heben, ebbt das Läuten ab.

Geduckt schlüpfen die Gäubigen unter ihm hindurch, um – so will es der Glaube – Gottes Segen und das Ewige Leben zu erhalten. Die Menschen drängen sich um das luftige Holzgestell, das nun von der Ikonostase steht, knien nieder, küssen die hölzerne Christusikone darin, heben ihre Kinder darüber, auf daß auch sie Jesus erreichen. Jeder nimmt einige Blütenblätter, bekreuzigt sich und geht. Sie sollen fürs ganze Jahr Glück bringen. Hing in der ersten Kirche noch Trauerflor, so gibt es in der zweiten keinen Grund mehr zur Trauer. Denn Christus wird auferstehen. Christos anesti, begrüßt man dann einander in der Nacht zum Ostersonntag. Alithos anesti, er ist wahrhaft auferstanden, antwortet jeder jedem nach der Auferstehungsmesse.

Wenn um Mitternacht alle Lichter gelöscht werden, leuchtet nur die Kerze des Papas'. An ihr zünden die Gläubigen ihre eigene an. Immer mehr Menschen drängen in das Kirchenschiff. Draußen donnern die Knaller. Alle tauschen den Bruderkuß der Liebe und Versöhnung, rechte Wange, linke Wange, Haare flattern um die Flamme.

Am Ostersonntag dann hat jeder nur eines im Sinn: essen, trinken, feiern. Die Lämmer, gewürzt mit wilder Bergminze, drehen sich schon über der offenen Glut. Osterkuchen aus Mürbteig oder mit einer Art Weichkäse gefüllt werden herumgereicht. Und die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Frohe Ostern auf Kreta!

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