: Universität wird finanziell autonom
■ Ab 1996 Globalhaushalt geplant / Mittelvergabe künftig nach „Kennzahlen“ Von Kaija Kutter
Kann die Uni künftig selbst entscheiden, ob es ein „Zentrum für molekulare Neurobiologie“ ausbaut oder nicht? Nein, soweit geht die neue Freiheit, die Finanz- und Wissenschaftssenator ab 1996 einräumen wollen, nun doch nicht. Derartiges würde auch künftig durch „Zielvereinbahrungen“ von der Politik bestimmt, erläuterte gestern Uni-Präsident Jürgen Lüthje. Dennoch, über die Verwendung des Betriebshaushalts könne die Uni künftig selbst entscheiden.
Wie das gehen soll, darüber hat sich der Hamburger Ableger der Unternehmensberaterfirma „Boston Consulting Group“ drei Monate lang kostenlos den Kopf zerbrochen. BCG-Mann Ullrich Wältken wählte gestern bei der Präsentation einen etwas problematischen Vergleich: „Man stelle sich vor, eine Hausfrau bekommt 50 Mark, um ein Essen zu kochen“. Nach dem alten Haushaltsprinzip hätte ihr der Ehemann die Einkaufsliste bis ins Detail vorgeschrieben. Künftig darf sie selbst bestimmen, was gekauft und gekocht wird.
Das Flexibilitätspotential der Fachbereiche, so fand BCG heraus, sei mit unter 0,5 Prozent „erschreckend gering“, die Haushaltführung umständlich und ineffizient. So muß derzeit jeder Haushaltstitel zwei Jahre im Voraus beantragt werden. Ob er bewilligt wurde, erfährt der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach Beginn des Haushaltsjahres. Daten über die Haushaltstitel werden vierfach in Listen erfaßt: bei der SekretärIn eines Lehrstuhlinhabers, der Fachbereichsverwaltung, der Univerwaltung und nochmals in der Behörde.
All dies soll anders werden durch eine „Budgetierungssoftware“ in einem modernen Datenverwaltungssystem. Die Fachbereiche verwalten künftig eigene „Budgets“, übergeordnete Stellen sollen lediglich bei „abweichenden Zahlen Fragen stellen“ (Lüthje).
BCG-Mitarbeiter Karl Dickel schätzt, daß die Uni zunächst eine Effizienzsteigerung von 5 Prozent erreichen kann. In Zahlen: bei Uni und Wissenschaftsbehörde zusammen eine Einsparung von 5 Millionen Mark. Auch soll es der Uni möglich sein, durch Einsparungen bei „Verbrauchskosten wie Engergie“ Rücklagen für größere Investitionen zu bilden oder auch Gehälter von unbesetzten Personalstellen für andere Zwecke zu verwenden.
Begonnen wird mit dem Prinzip zunächst an den „Pilotfachbereichen“ Informatik, Chemie und Philosohie/ Sozialwissenschaften. 1997 folgt der Rest der Uni.
Wieviel Geld ein Fachbereich bekommt, soll mittelfristig über ein „Kennzahlensystem“ geregelt werden, das Absolventen, Studienanfänger, Drittmittel und Forschungsprojekte berücksichtigt. Ein heikles Terrain. Denn die isolierte Berücksichtigung einer einzigen Kennzahl, so Lüthje, könne zu „unerwünschten Nebeneffekten“ führen.
Und noch etwas stellte der Uni-Präsident klar: Effizienzgewinne müßten in die unterfinanzierte Hochschule zurückfließen. Wenn der Finanzsenator daran ginge, eine Rücklage einzukassieren, könne er dies nur einmal tun. Lüthje: „Danach wird es sie nie wieder geben“.
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