: Neues von den Mülldealern
■ Schweriner Umweltdezernent a. D. deckt auf: Auch Hamburger Stadtreinigung ist in Müllschiebereien verwickelt Von Marco Carini
Die Liste der in dubiose Müllschiebereien verwickelten Hamburger Firmen und Institutionen wird immer länger. Nicht nur als Wertstoffe deklarierte Abfälle der Shell, der Nordac, der Hamburger Wasserwerke und von Blohm + Voss sollen illegal von einem mecklenburgisch-hamburgischen Firmenkonsortium „entsorgt“ worden sein (taz berichtete). Nach Informationen des ehemaligen Schweriner Umweltdezernenten Edmund Haferbeck ist auch die Hamburger Stadtreinigung den dubiosen Müllschiebern Wolf Rüdiger G. und Peter B., gegen die die Schweriner Staatsanwaltschaft wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung ermittelt, auf den Leim gegangen.
Haferbeck: „Schadstoffhaltige Verbrennungs-Aschen aus den Hamburger Müllverbrennungsanlagen (MVAs) wurden in Holthusen bei Schwerin illegal abgelagert.“ Die Schweriner Behörden, die frühzeitig von den Vorfällen erfuhren, haben nach Auffassung des ehemaligen Umweltdezernenten die verbotene Deponierung gedeckt. So wirft Haferbeck in seinem demnächst erscheinenden Buch „Enttarnt – die letzten beißen die Müllmänner“ dem Schweriner Umweltamt und der zuständigen Landkreisbehörde vor, ihre „Amtspflicht verletzt“ zu haben. Sie hätten aktive „Beihilfe zur umweltgefährdenden Abfallbeseitigung, der Grundwassergefährdung und zum illegalen Betreiben einer Abfallentsorgungsanlage“ geleistet.
Nach Recherchen des ehemaligen Umweltbeamten wurden im Februar und März 1993 über 25.000 Tonnen MVA-Aschen auf LKWs verladen und nach Holthusen gekarrt. Obwohl etwa im Planfeststellungsbeschluß der MVA Borsigstraße nachzulesen ist, daß „Rückstände aus der Anlage ... nicht offen im Freien gelagert“ werden dürfen, landen die Verbrennungsüberreste auf einem unüberdachten, nicht eingezäunten Grundstück. „Obwohl es sich hier eindeutig um Abfälle handelt“, so Haferbeck, seien die Verbrennungsrückstände vom Schweriner Umweltamt als Wertstoff deklariert worden. Haferbeck weiter: „Eindeutig eine illegale Müllablagerung“.
Obwohl die Gemeinde Holthusen am 14. Februar 1993 die Befestigung der Ackerfläche, auf der die MVA-Aschen später abgelagert wurden, eindeutig untersagt hatte, fanden die GemeindevertreterInnen die Fläche am Tag darauf versiegelt. Erst Monate nachdem die schadstoffhaltigen MVA-Aschen in Holthusen ohne Abfall-Ablagerungsgenehmigung aufgetürmt worden waren, stellt Wolf-Rüdiger G. beim zuständigen Bauordnungsamt einen Antrag „auf Errichtung eines Verkaufslagers für Schlacken“. In der im April 1994 verfaßten Antwort der Behörde wird unmißverständlich festgestellt, daß für dieses „bereits ohne Genehmigung betriebene Vorhaben ... die Genehmigungsgrundlage zu fehlen scheint“.
Für den ehemaligen Schweriner Umweltdezernenten Haferbeck ist der Deal mit den Abfällen der Hamburger Stadtreinigung „nur ein Beispiel für viele ähnliche Fälle in Ostdeutschland“. Die Gutgläubigkeit und Unwissenheit der mit vielen bundesrepublikanischen Vorschriften noch nicht vertrauten Gemeindevertretungen bilde den „idealen Nährboden für die gewissenlosen Geschäftemacher der schnellen Sorte“. Haferbeck: „Zurück bleibt eine geleimte Gemeinde und der Schaden an der Umwelt.“
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