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Neue Bundesgenossen: Arbeit und Kapital

Wer hätte das gedacht! So schnell ist der Gegensatz Kapital/ Arbeit überwunden. Arm in Arm schreiten sie dahin als Bundesgenossen und von der Höhe ihrer Position schauen Verbandsführer und Gewerkschaftsbonzen wohlwollend lächelnd zu ihnen hinab. Ja, die Bündnisse für Arbeit, die sorgen für eitel Sonnenschein und Frieden. Gern arbeitet der abhängig Beschäftigte ein paar Stunden länger, wenn es dem Wohle der Firma dient. Wer wird da von Lohnausgleich sprechen. Weihnachtsgeld? Aber die meisten sind doch sowieso nicht mehr in der Kirche. Und Urlaubsgeld – wer kann denn heutzutage noch groß in Urlaub reisen?!

Jedermann weiß doch auch, daß Krankheiten oft psychisch bedingt sind, also mal deutlich gesagt: eingebildet sind. Da ist es doch nur gut, wenn dem angeblich Kranken erst mal Gelegenheit gegeben wird, darüber nachzudenken und zu probieren, ob er denn wirklich krank ist und fehlen muß. Wie oft werden sich die Symptome der angeblichen Krankheit als nur eingebildet und schnell überwindbar herausstellen. Schon ist er gesund und braucht sich vor den Kollegen nicht zu schämen, daß er ihnen durch sein Fehlen unnütz Mehrarbeit aufgebürdet hat.

Ihr merkt es schon: Ein neues Arbeitsklima ist im Entstehen. Nichts von dem gehässigen Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit, wie ihn in vergangenen Zeiten die SPD mal schürte. Man mag gar nicht mehr daran einnert werden. Nur in machen unteren Gewerkschaftsetagen ist gelegentlich noch etwas davon zu spüren. Nein, der Sozialneid ist überwunden. Viel Geld macht auch viel Sorgen. Wohin mit dem Zaster? In die Schweiz, nach Luxemburg? Oder gar in Singapur, in Taiwan anlegen? Und dann immer diese Schnüffelei von unaufgeklärten Finanzämtern! Wieviel einfacher hat es da der Arbeitnehmer. Sein fürsorglicher Arbeitgeber nimmt ihm den Kummer ab, zieht die Steuern gleich ein. Da können die Leute ruhig schlafen, während sein Brotherr immer noch grübelt: Wohin mit dem Zaster?

Natürlich, freilich: die Arbeitslosen. Sollen ja schon so um die fünf Millionen sein. Vor Hitler waren es aber sechs! Und kein Hitler weit und breit. Der Haider – na ja, in Österreich! Allerdings – der Hitler, war der nicht Österreicher? Aber die Industrie hat auch mit Hitler ganz gut gekonnt. Also kein Grund zur Sorge. Das Bündnis steht! Und die Arbeitslosen sind draußen, sind nicht in der Gewerkschaft, können nicht streiken – also, was sollen sie schon machen? Nur – wenn die Arbeitsplatzinhaber sich mit ihnen solidarisieren sollten – aber das ist ja nur ein Alptraum. Hans-Joachim Lemme,

Frankfurt/Main

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