piwik no script img

„Da wabern monströse erigierte Penisse“

■ Trotz Protest läßt Meiningens Staatsanwaltschaft Comics beschlagnahmen

Berlin (taz) – Ein unrasierter Mann, Jeans und Wildlederjacke, betritt den Comic Treff in Landshut. Er verlangt Bücher von Ralf König, „Bullenklöten“. Doch er will sie nicht kaufen. Der auffällig unfällige Mann ist Polizist. Sein Auftrag: Er soll feststellen, ob das Ralf-König-Comic offen im Laden ausliegt. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft Meiningen, darf es, wie 50 andere Comics, nur noch unter dem Ladentisch gehandelt werden, denn sein Inhalt sei pornographisch.

Das war vorgestern. Seitdem ist Comic-Treff-Besitzer Peter Meier verunsichert: „Erst mal werde ich diese Titel nicht mehr öffentlich anbieten.“ Wie ihm geht es einigen Buchhändlern, seit die Polizei in ganz Deutschland Buchläden kontrolliert und Bücher beschlagnahmt. Aus Angst vor Anklagen wegen Verbreitung pornographischer Schriften nehmen sie auch so populäre Comics wie Walter Moers „Das kleine Arschloch“ und Ralf Königs „Das Kondom des Grauens“ aus den Auslagen.

Ausgelöst wurde diese bundesweite und in diesem Ausmaß bisher beispiellose Aktion von dem Meininger Oberstaatsanwalt Reinhard Hönninger. Bei einer Durchsuchung im Juni vergangenen Jahres in dem Sonneberger Alpha Comic Verlag beschlagnahmte er 120 „Druckwerke“ wegen angeblicher Pornographie und Gewaltverherrlichung. Dabei fiel ihm auch eine Kundenliste des Verlags in die Hände: Danach durchkämmen jetzt Beamte von 480 Dienststellen der Kriminalpolizei Deutschlands Buchläden. Insgesamt 1.000 an der Zahl – und die Liste ist immer noch nicht abgearbeitet.

Bei der Amtshilfe schießen viele Kriminalbeamte übers Ziel hinaus und konfiszieren auch Comics von anderen Verlagen wie Carlsen, Rowohlt und Eichborn. Achim Schnurrer bangt jetzt um die Zukunft seines kleinen Alpha Verlages: „Wir haben uns in den letzten Jahren mühsam einen Kundenstamm aufgebaut – wenn es den Staatsanwälten gelingt, daß nur die Hälfte der Buchhändler nicht mehr bestellt, können wir dichtmachen.“

Das freilich ficht die Staatsanwaltschaft Meinigen nicht an, nicht alles, was die Bundesprüfstelle passiere, sei auch strafrechtlich irrelevant. „Das ist ein Eingriff in die Kunst- und Meinungsfreiheit!“ empört sich Eugen Emmerling vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. „Die definieren das einfach als Pornographie und kriminalisieren 1.000 Buchhändler!“ Erst im vergangenen Jahr hatte zum Beispiel das beanstandete „Bullenklöten“ von Ralf König eine Verhandlung der Bundesprüfstelle bravourös bestanden. Doch der Meininger Staatsanwaltsprecher Peter Möckl weiß es besser: Das Comic sei „pornographisch“, schließlich „waberten da mönströse erigierte Penisse durch die Gegend“. So einfach ist das.

Doch auch Emmerling fürchtet, daß diese „Provinzposse“ langsam zu einer „ernsthaften Bedrohung“ werde, weil gerade auf dem Land erst mal viele Händler aus Angst die beanstandeten Comics nicht mehr ausstellten. Der Vertrieb des Eichborn Verlag allerdings sieht das gelassener – er empfiehlt den Buchhändlern angesichts des Medienrummels, die „Gunst der Stunde“ zu nutzen und die Bücher „nach vorne zu rücken“. Matthias Urbach

Achtung, Staatsanwalt Hönninger, aufgepaßt! Am Mittwoch gibt es Ralf König auch in unserer Kari- taz!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen