: "Schutz braucht man nur vor Gefahren"
■ meint Hans-Jörg Buhk, der deutsche Vertreter im Freisetzungsausschuß bei der Europäischen Kommission. Er stimmte dort bisher immer gegen die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Pflanzen
Der Virologe Professor Hans- Jörg Buhk ist Direktor des Fachbereichs Gentechnik am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin. Das ehemals zum Bundesgesundheitsamt gehörende Institut ist dem Gesundheitsministerium zugeordnet und in Deutschland zuständig für die Genehmigung von Freisetzungen und der Inverkehrbringung gentechnisch veränderter Organismen. Die Bundesregierung schickte den überzeugten Gentechniker Buhk auch in den Ausschuß bei der Europäischen Kommission, der über die Marktzulassung genmanipulierter Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen entscheidet.
taz: Herr Buhk, bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen haben Sie als deutscher Vertreter bisher immer gegen eine Kennzeichnung gestimmt: bei der Sojabohne, beim Raps...
Hans-Jörg Buhk: Das stimmt nicht, beide Pflanzen werden als herbizidresistent gekennzeichnet, und dafür habe ich auch gestimmt.
Sie haben jedoch dagegen gestimmt, daß die Pflanzen als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. Die Bundesregierung spricht sich dagegen offiziell immer für eine Gentech-Kennzeichnung aus.
Derzeit besteht für eine solche Kennzeichnung aber keine Rechtsgrundlage. Die Freisetzungsrichtlinie erlaubt uns, nur dann eine Kennzeichnung vorzuschreiben, wenn es der Umwelt- oder Gesundheitsschutz erfordert.
Die Souveränität der Verbraucher, die selbst entscheiden wollen, ob sie Gentech-Nahrung kaufen oder nicht, ist also derzeit kein Schutzziel?
Der Begriff Verbraucherschutz wird häufig absichtlich falsch benutzt. Schutz braucht man nur vor Gefahren. Wo aber keine Gefahren sind, muß man auch nicht kennzeichnen. Ich habe jedenfalls noch nicht gehört, daß jemand gegen gentechnische Verfahren an sich allergisch ist.
Ich fragte nach der Souveränität der Verbraucher, die unabhängig vom persönlichen Risiko die Gentech-Industrie nicht unterstützen wollen...
Das ist wirklich kein Schutzziel nach der derzeitigen Rechtslage.
Mit der Novel-Food-Verordnung, über die derzeit verhandelt wird, könnte das aber anders werden. Dort ist die Aufklärung der Konsumenten ein Ziel an sich, auch wenn es nicht konsequent umgesetzt wird.
Das ist eine politische Entscheidung, die wir dann natürlich befolgen werden.
Bei Allergikern ist die Abgrenzung zwischen Schutz und bloßer Information kaum zu treffen. Selbst Industriekommissar Martin Bangemann hat anerkannt, daß Allergiker immer wissen müssen, welche Gene in andere Pflanzen eingebaut wurden.
Ich finde es wichtiger, darauf hinzuweisen, was die eingebauten Gene leisten, zu welchen Genprodukten sie führen.
Wenn in Sojabohnen ein Gen der Paranuß eingepflanzt wird, soll damit eine bestimmte Aminosäure produziert werden, um den Nährwert der Sojabohne zu steigern...
...Und auf das Eiweiß, das diese Aminosäure enthält, reagieren die Paranußallergiker – nicht auf das Gen als solches.
Sie wollen also nur mitteilen: diese Sojabohne ist so modifiziert, daß sie eine bestimmte Aminosäure produziert? Die Paranußallergiker – und das sind 5 Prozent der Weltbevölkerung – wissen doch nur, daß sie gegen Paranüsse allergisch sind, aber nicht, gegen welche Aminosäuren.
Richtig. Das wäre für Allergiker eine zu kryptische Information. Besser wäre: „Diese Bohne enthält das Eiweiß aus der Paranuß.“
Die Sojabohne mit Paranußgen ist nach Bekanntwerden ihrer Allergiewirkungen wieder in der Versenkung verschwunden (taz vom 18. 3. 1996) . Machen Sie solche Entwicklungen nervös?
Nein, es zeigt doch, daß die Kontrolle funktioniert. Außerdem lehren uns solche Allergieuntersuchungen, daß wir noch mehr lernen können und müssen.
Wird dieses Lernen nicht erschwert, wenn die Politik nur noch an Deregulierung interessiert ist und immer weniger Prüfungen vorschreibt?
Auch weiterhin müssen gentechnisch veränderte Produkte angemeldet oder genehmigt werden, bevor sie auf den Markt kommen.
Gentechnisch veränderte Pflanzen können auch zu Umweltrisiken führen. Was sagen Sie zu neuen Studien aus Dänemark, wonach herbizidresistenter Raps seine Eigenschaft auch auf Pflanzen wie den Rübsamen übertragen kann?
Daß Raps auskreuzt, ist schon lange bekannt. Deshalb war auch zu erwarten, daß bei Untersuchungen die Herbizidresistenz als Merkmal übertragen wird.
Führt das nicht dazu, daß die Landwirtschaft zu noch härteren chemischen Keulen greifen muß, wenn das Gen für Herbizidresistenz nun auch auf sogenannte Unkräuter übertragen wird?
Wenn sich diese Tendenz in der landwirtschaftlichen Praxis bestätigt, was keineswegs sicher ist, führt das erstmal nur dazu, daß sich die dazugehörigen Pflanzenschutzmittel „Basta“ und „Round Up“ nicht mehr verkaufen lassen. Und ob etwaige Nachfolgeprodukte dann aggressiver sein werden, ist reine Spekulation.
Die so entstehenden Super-Unkräuter sehen Sie nicht als Problem?
Wenn Rübsamen gegen ein bestimmtes Herbizid resistent geworden ist, dann ist er noch lange kein Super-Unkraut, das ganz Berlin überwuchert. Das macht er heute ja auch nicht.
Brauchen wir nicht ein Frühwarnsystem, das Auffälligkeiten in der landwirtschaftlichen Praxis sofort an die verantwortlichen Behörden meldet?
Bei den gegenwärtigen Produkten halte ich es aus Gründen der Produktsicherheit nicht für unbedingt notwendig. Um für die Bewertung künftiger Produkte zu lernen, wäre ein solches System allerdings wünschenswert. Interview: Christian Rath
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