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Dem Krieg entflohen nach Deutschland

■ Bosnische, kroatische und serbische Kinder lernen wieder Lachen

Neustadt/Rübenberge. „Als ich der kleinen Taja aus Banja Luka das erste Mal in die Augen geschaut habe, war da nur traurige Leere“, erinnert sich Salmone Willert aus Neustadt am Rübenberge bei Hannover. „Und jetzt, fünf Tage später, können diese Augen wieder lachen“, sagt sie. Taja ist gerade elf Jahre alt. Wie alt sie war, als ihr Vater im Krieg auf dem Balkan ums Leben kam, weiß Willert nicht.

Die kleine Taja ist eines von insgesamt 27 bosnischen, kroatischen und serbischen Kindern, die derzeit zwei Wochen Osterurlaub bei Gastfamilien in Neustadt machen – ein Projekt, das bisher einmalig in Niedersachen ist. Die Verständigung mit dem Gastkind sei nicht ganz einfach, sagt Willert. „Das funktioniert mit Händen, Füßen und Wörterbuch.“

So ist es auch bei Familie Schirmer: Gleich zwei zehnjährige Mädchen sind dort zu Gast. Jelena und Maja sind Halbwaisen. Für die grundlegende Verständigung haben die Schirners drei Zettel. „Auf denen stehen die wichtigsten Begriffe“, erklärt Doris Schirmer. „Hunger, Durst, Essen, Gute Nacht und so weiter.“

Auch die Schirmers wissen nicht, „was beide Kinder wirklich erlebt haben“. Aber das spiele auch keine Rolle. „Wenn ich mir Jelena in ruhigen Momenten anschaue, sieht sie sehr erwachsen aus. Und das mit zehn Jahren“, findet die 19jährige Tochter Anne-Kathrin. Beim Spielen, Toben und Tollen verhielten sich die Kinder aber wie andere auch.

Die Schirmers versuchen, „alles ganz normal zu machen“, wie sonst auch. Dennoch herrscht Ausnahmezustand: „Sonst sagen unsere Kinder Mama und Papa zu uns. Wir vermeiden das im Moment.“ Am dritten Tag zeigte ihr Maya ein zerknautschtes Farbfoto. Drei Kinder auf einem Sofa, Mutter links, Vater rechts. „Heile Welt eben. Wie es jetzt ist – ich will nicht fragen.“

Auch als es um das Osterfeuer ging, hat sie sich erst mit den zwei Betreuerinnen besprochen, die in Belgrad den Osterurlaub organisiert haben und die Kinder begleiten. „Ich will den Kindern keine Bilder zumuten, die sie traurig machen.“ Aber Psychologin Smiya Raskovic und Biljana Jouanovic-Ilic hatten keine Bedenken.

Die beiden Frauen arbeiten in der Belgrader Initiative „Put Nade - Weg der Hoffung“. Sie hilft vom Krieg betroffenen Kindern und Frauen. Zusammen mit der Kirchengemeinde Neustadt-Mandelsloh und dem hannoverschen Verein „Frauen helfen Frauen“ wurde der Osterurlaub möglich. „Öffentliche Gelder gab es nicht“ erklärt Sylvia Witte von „Frauen helfen Frauen“. Der ganze Aufenthalt der Kinder – „alles aus Spenden finanziert.“

Da die Beteiligten mit dem Projekt Neuland betraten, gab es keinen Finanztopf, den sie hätten anzapfen können, sagt Pastor Robert Smietana. „Niemand fühlte sich zuständig. Wir hatten das Gefühl, daß man uns eher Steine in den Weg werfen wollte.“ Während der sechsmonatigen Vorbereitung habe es Momente gegeben, „da wollten wir alles hinschmeißen“, erinnert sich Witte.

Aber die Erlebnisse der vergangenen Tage seien die beste Entschädigung. „Unser Ziel ist es, den Kindern Ruhe und Erholung zu bieten. Ich glaube, es klappt.“ Smietana fügt nachdenklich hinzu: „Die Kinder müssen die Möglichkeit bekommen, wieder Kinder zu werden. Jetzt sind sie wie kleine Erwachsene. Klappt es nicht, hat der Krieg ihnen auch noch die Kindheit geraubt.“ dpa

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