: Täglich Amok laufen
■ Spaßguerilla mobilisiert gegen Mobilmachung: Am Tag der Deutschen Einheit sollen die Berliner die Bundeswehr auslachen
Die Schriftstellerin Franziska von Reventlow und die Schauspielerin Hilfegard Knef sind die historischen Patinnen einer neuen Spaßguerilla-Bewegung. Die Organisation nennt sich AMOK (Anti-Militaristisches Oberjubel-Komitee) und will am 3. Oktober eine „Anti-Jubel-Parade“ durch das Brandenburger Tor veranstalten. Motto der Demo: „Das Volk lacht das Militär aus.“ Zielscheibe des Bündnisses von 250 Leuten aus Theatern, Kinos, Clubs, Bands, Verlagen, Kulturvereinen, Friedensgruppen und Politorganisationen: die Bundeswehr, die immer dreister im früher entmilitarisierten Berlin Flagge zeigt und für den 31. Mai sogar das erste öffentliche Rekrutengelöbnis seit fünfzig Jahren plant.
„Ich habe ein ganz einfaches Rezept zum Glücklichsein: Ich laufe jeden Tag Amok.“ Das soll Hildegard Knef angeblich einmal gesagt haben. Und Franziska von Reventlow – so die Überlieferung – lachte angesichts von Paraden der kaiserlichen Armee gern so herzhaft und laut, daß alles aus dem Tritt geriet. An beide Damen erinnerte sich der Kabarettist Dr. Seltsam (alias Wolfgang Kröske), als er sich gemeinsam mit Freunden über ein Militärkonzert auf der Seepromenade in Tegel ärgerte. Dann kam noch die Sache mit dem Tucholsky-Zitat dazu. Dr. Seltsam und Co. beschlossen, eine „Truppenverspottung“ zu organisieren – und zwar an einem besonders wirkungsvollen Datum, dem Einheitstag 3. Oktober.
Zu der Demo, die bereits angemeldet ist und die vom Brandenburger Tor bis zum Schloßplatz führen soll, hat sich eine starke Truppe zusammengefunden. Ihr Spektrum reiche, so Dr. Seltsam am Dienstag bei einem ersten öffentlichen Vorbereitungstreffen im BKA-zelt, „von der RAF bis zur FDP“. Als Unterstützer bereits unterschrieben haben Leute wie Peter Wawerzinek, Halina Bendkowski, Erwin Geschonneck, Ades Zabel und viele andere.
Die „Amok“läuferInnen wollen am 3. Oktober mit falschen Panzern und echten Traktoren, mit Tiefladern voller House-Musik oder Blaskapellen sowie karnevalistischen Prunkwagen die Linden entlangparadieren: „Ein bunter Zug verkleideter Menschen, vom hosenscheißenden Frontoffizier über geifernde Armeegeistliche und schreckliche Marinerichter bis hin zum ABC-Schutzmasken-Ballett, Feldjägern auf Pirsch und kamellenschießenden Nato-Generälen.“ Noch sind die jubelnden WehrkraftzersetzerInnen aber nicht soweit. Dringend gebraucht werden noch weitere Ideen, Finanzspritzen und Unterstützerunterschriften. Philip Kahle
Das nächste öffentliche Vorbereitungstreffen ist übrigens am 29. April um 17 Uhr im BKA-Zelt an der Philharmonie. Kontakttelefon: 6919922 (Dr. Seltsam)
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