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Amigos im Bayernnetz

■ Die Verlagsgruppe Passau vermarktet Internet-Zugänge und benutzt für dieses Geschäft das Deutsche Wissenschaftsnetz

Ulrich Kähler von der Geschäftsstelle des Deutschen Forschungsnetzes e.V. (DFN) ist auf die Verlagsgruppe Passau (VGP) nicht gut zu sprechen. Bereits Ende Februar forderte der Verein die Passauer auf, sich von den Netzen des DFN abzuklemmen. Doch die Verlagsmanager an der bayerisch-tschechischen Grenze denken nicht daran, dem Fax-Appell ihres Internet-Providers nachzukommen. Sie profitieren lieber von den Steuergeldern, aus denen das Forschungsnetz finanziert wird.

„Was die da machen, ist illegal“, poltert Kähler. Dabei herrschte zwischen der DFN-Geschäftsstelle und den Zeitungsverlegern einst ein freundschaftliches Verhältnis. Christian Strangmüller, Internet- Koordinator der Verlagsgruppe Passau und Geschäftsführer des Tochterunternehmens Passauer Neue Medien GmbH, besuchte am 6. Dezember mit Georg-Peter Raabe, Leiter des Rechenzentrums der Universität Passau, eigens die Berliner DFN-Zentrale. Raabe stellte für Strangmüller den entscheidenden Kontakt zum DFN-Geschäftsführer Klaus-Eckhard Maass her. Per Handschlag wurden sich die Herren einig. Die Verlagsgruppe erhielt über die Universität Passau und das Wissenschaftsnetz (WIN) des DFN kostenlosen Zugang zum Internet. Seitdem hängt die Zeitung an einer permanenten 64-Kilobit-Leitung am Wissenschaftsnetz. „Vertraglich ist nichts geregelt, wir erhalten keinen Pfennig“, erinnert sich Maass – es sollte sich ja nur um einen internen Testbetrieb handeln.

Es wurde ein Dauergeschäft daraus. Einzig für eine ISDN- Standleitung der Telekom zur Universität Passau fallen feste Netzgebühren an. Geschätzte Kosten: 500 Mark monatlich. Da kann Werner Scharinger, Geschäftsführer der Internet-Netzwerke für Niederbayern GmbH (Inet), nicht mithalten. Er muß mit weitaus höheren Tarifen rechnen. Seit knapp einem Jahr leistet Scharinger Pionierarbeit als Internet-Provider in der Region Passau. Die Leitung zu seinem Münchner Anschluß X-Link kostet ihn jährlich mehr als 60.000 Mark.

Scharinger hat den Fall an seinen Rechtsanwalt weitergeleitet. Denn seit fünf Wochen verkauft die VGP ihren öffentlich finanzierten Zugang zum Internet an Privatkunden für konkurrenzlose 10 Mark monatlich – ohne Volumen oder Zeitbegrenzung.

Für Scharinger ist das „ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung“. Selbst im liberalisierten Amerika, wo die Telekommunikationsgiganten AT&T und MCI gerade eine Tarifschlacht austragen, müssen Surfer für eine vergleichbare Leistung rund 28 Mark zahlen. Das Angebot der VGP, im Internet als Pilotphase beschrieben, soll noch bis Ende Mai bestehen. Danach wird ein immer noch günstiger Pauschaltarif von 30 Mark gelten, Scharinger befürchtet jedoch, daß die Claims bis zum Sommer abgesteckt sind.

Die Methoden, mit der die Verlagsgruppe Passau ihr regionales Zeitungsgsmonopol auf das Internet zu übertragen versucht, stoßen auch in der Stadt- und Landkreisverwaltung auf Verwunderung. Scharings Internet Netzwerke für Niederbayern zum Beispiel bereiten seit Monaten aktuelle Informationen der Stadt und des Landkreises kostenlos für das Internet auf. Anstatt einen üblichen Link auf dieses Angebot zu setzen, wollte die Verlagsgruppe Stadt und Landkreis mit einem wahren Knebelvertrag an sich binden. Als die VGP das amtliche Infomaterial anforderte, faxte der Justitiar gleich einen Vertrag mit, den die Stadt am liebsten sofort unterschreiben möge. „Man wollte uns damit an zahlreiche Pflichten binden“, sagt ein Stadtmitarbeiter, „die VGP hätte sich nur die Rechte reserviert.“

Einige Vertragsklauseln enthielten zudem politischen Sprengstoff: „Der Zulieferer räumt dem Verlag das ausschließliche, zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkte Recht ein, die eingestellten Dokumente im Sinne der Urheberrechte und verwandter Schutzrechte vom Zeitpunkt der Rechtsentstehung an zu nutzen.“ Sogar Pressetexte des Oberbürgermeisters wären der Kontrolle des Passauer Zeitungsmonopolisten ausgeliefert worden: „Die Einräumung umfaßt auch die Befugnis des Verlages, die Dokumente zu bearbeiten, sowie die Befugnis, Dritten umfassend Rechte an diesen Dokumenten einzuräumen oder zu übertragen.“

Das war den Behörden nun doch zuviel – die VGP stellt die Stadtinformationen seitdem auch ohne Vertrag ins Internet. Doch sie versucht trotzdem, ihren meinungsbildenden Einfluß auf den regionalen Cyberspace zu übertragen. Schon heute ist der Verlagskonzern außerhalb der Großstädte München, Augsburg und Nürnberg mit zahlreichen regionalen Mutationen Herausgeber der größten bayerischen Abonnementzeitung und hält maßgebliche verlegerische Beteiligungen in Polen, Tschechien und Österreich. Gesamtjahresumsatz 1995: 750 Millionen Mark.

Internet-Konkurrent Scharinger vermißt vor allem eine ausgewogene Berichterstattung. Während die Verlagsgruppe seit Monaten in ihren Zeitungen über die eigenen Netz-Ambitionen informiert, will er noch keinen Artikel über seine GmbH gefunden haben. Ähnliche Erfahrungen sammelte auch Ruppert Bayer, Vorsitzender des Fördervereins Bürgernetze Passau e.V., eines von 28 Bürgernetzen, die im Rahmen des Projekts „Bayern Online“ den Zugang zum Datenweltraum öffnen wollen. „Bis auf einen kleinen Kasten über eine Veranstaltung in der Universität wurden wir nicht erwähnt“, klagt Bayer.

Inzwischen ist selbst die Bayerische Staatskanzlei hellhörig geworden. Sie ist der Ansicht, „die Anbindung der Verlagsgruppe Passau in der jetzigen Form“ widerspreche „der vertraglich vorgesehenen nichtkommerziellen Nutzung des vom DFN-Verein betriebenen WIN-Netzes“. Einen besonderen Eifer, die Verleger vom Wissenschaftsnetz abzuklemmen, entwickelt die Universität trotzdem nicht. „Bis spätestens April“ darf die VGP weitermachen. Nachträglich will die Universität nun aber doch die Leitungskosten in Rechnung stellen – ein plötzlicher Sinneswandel: Noch vor wenigen Wochen sah der Vizekanzler der Uni Passau, Ludwig Bloch, allein den DFN-Verein für zuständig.

Die Schonfrist verschafft der Verlagsgruppe Zeit, hinter den Kulissen neue Fäden zu ziehen. Sie führt Gespräche mit dem Förderverein Bürgernetze e.V. Ihre Verlagsprodukte könnten ja auch über die Bürgernetze ins Internet fließen – ein Angebot, das den Zorn des Geschäftsführers Bayer zu besänftigen scheint. Den Gewinn allerdings müßte die VGP dann woanders eintreiben. Einnahmen aus Werbung und Internet-Zugänge sind innerhalb des Projektes Bayern Online nicht gestattet. Darauf wurde die Geschäftsführung von der Bayrischen Staatskanzlei schon mal vorsorglich hingewiesen: „Die Passauer Neue Medien GmbH hat die Möglichkeit, als Mitglied des örtlichen Bürgernetz- Vereines das Bayernnetz für nichtkommerzielle Zwecke zu nutzen.“ Klaus Rautenberg

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