piwik no script img

Der Deutsche Meister schwirrt ab

■ Wirtschaftssenator und Sponsoren winken ab: Für die Waller Handballerinnen ist keine Finanzspritze in Sicht

Sponsorensäckel sind weiter zugeknöpft, Vereinsfunktionäre ratlos, Spielerinnen bereiten den Absprung vor, und der Senator ist zerknirscht: Das ist die Lage nach einem Spitzengespräch zum TuS Walle. Ohne Erfolg hatte Wirtschaftssenator Hartmut Perschau (CDU) am Mittwoch zweieinhalb Stunden Vertreter von fünf Bremer Unternehmen bearbeitet, damit sie die Handballerinnen des Deutschen Meisters als Werbeträger nutzen oder uneigennützig als Mäzene auftreten.

Eigenes Geld will jedoch auch Perschau nicht lockermachen. Damit ist nach wie vor völlig unklar, wo die Million für die nächste Saison herkommen soll. Die Spielerinnengehälter für April sind nicht gesichert. So bleiben Krokodilstränen um den „Sympathieträger TuS Walle“ und die Angst, daß bald die Werder-Kicker allein das Fähnchen des Bremer Spitzensports schwenken müssen.

600.000 Mark bräuchte der TuS, der die Verantwortung für das Profi-Team von der mit mehr als einer halben Million Mark verschuldeten Marketinggesellschaft BSI übernehmen will, von Hauptsponsoren als Grundfinanzierung. „Der Rest käme schon zusammen“, sagt Walles Präsident Herbert Poppke. Im Verein sei aber Konsens: Die Zeiten windiger Finanzkonstruktionen sind vorbei, ein finanzielles Risiko werde der TuS nicht eingehen.

So rennt die Zeit davon: Am 15. Mai ist Meldeschluß für die nächste Bundesligasaison. Die Spielerinnen lassen sich nicht mehr lange hinhalten, auch wenn die Stars sicher noch im Mai einen neuen Club finden würden. Schon die Resonanz der Wirtschaft auf Perschaus „großflächige Einladung“ zur Rettung des TuS Walle war nach Schilderung eines Beobachters „dürftig“. Und die fünf, die gekommen waren, hätten auch nicht die erhofften Schecks auf den Tisch gelegt. „In diesem Fall hätte ich mich auch gefragt, was ich vier Jahre lang falsch gemacht hätte“, kommentiert Walles ehemaliger Manager und BSI-Gesellschafter Jens Eckhoff, Chef der Jungen Union und für die CDU in der Bürgerschaft. Schließlich hätte er bei all den angesprochenen Unternehmen selbst „schon zehnmal“ angeklopft. Warum sollten sie ausgerechnet jetzt helfen?

Die Vereinsführung ist nicht gut auf den JU-Chef zu sprechen, seit die BSI, an der auch der TuS beteiligt ist, in eine finanzielle Schieflage geraten ist. Zwar habe der Verein die Vermarktungsrechte an die BSI verkauft, dafür aber keine angemessene Gegenleistung erhalten, klagt Präsident Poppke. Ob allerdings Poppke und der sportliche Leiter Hans-Herbert Ludolf mehr Eindruck auf potentielle Sponsoren machen als Eckhoff, darf bezweifelt werden: Neue Vermarktungskonzepte habe er jedenfalls keine vernommen, berichtet ein Teilnehmer an Perschaus Krisengipfel. „Die Mediendaten für Frauenhandball sind einfach beschissen“, so Eckhoff. Gerade mal zwei Minuten flimmerten bisher in dieser Saison bundesweit über die TV-Mattscheibe. Falls sich die skeptische Haltung der Sponsoren nicht in der nächsten Woche ändert, sieht der sportliche Leiter Ludolf nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Mannschaft abzumelden oder ohne teure Stars weiterzuspielen und zu versuchen, irgendwie die Klasse zu halten. Letzte Hoffnung für Poppke & Co: Der bisherige Hauptsponsor Kraft Jacobs Suchard habe noch nicht endgültig entschieden, ob der Sponsoren-Vertrag verlängert werden soll. Von KJS waren aber skeptische Töne zu vernehmen, gerade weil keine neuen Werbekonzepte in Sicht sind: Ohne weitere Firmen an der Seite und ein weiteres Engagement der Stadt werde man sich ebenfalls zurückziehen.

Übrigens: Falls die Waller Handballfrauen am Samstag in Leipzig gewinnen, ist ihnen die Deutsche Meisterschaft kaum noch zu nehmen. Nächstes Wochenende stehen sie im Deutschen Pokalfinale in Bremen. jof

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen