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Vorsicht vor dem Designergras

Marihuana ist längst kein einfaches Naturprodukt mehr, sondern wurde hochgezüchtet. Doch der holländische Skunk ist billig und stark  ■ Von Ole Schulz

Echter Maroc, nordafrikanisches Hasch, das aus dem Harz der Marihuanapflanze (lat.: cannabis) gewonnen wird, ist dunkel und hart von der Konsistenz, die Wirkung betörend. Was aber in Deutschland als Maroc verkauft wird, ist hell und bröselig, gestreckt mit Henna oder Sand. Dennoch müssen sich Feinschmecker nicht mehr unbedingt in holländische Coffeeshops flüchten, wenn sie gutes Haschisch oder Marihuana rauchen wollen. Denn seit die Grenzen innerhalb Europas durchlässiger geworden sind, wird vor allem hochwertiges Gras massenweise aus den Niederlanden nach Deutschland geschmuggelt: billiges kolumbianisches Cannabis, jamaikanisches Sensimilla und in erster Linie der in Holland angepflanzte Skunk. Der Vorteil von Gras ist, daß es weniger träge macht als Hasch, in gemäßigten Dosen eher anregend wirkt und zudem nicht gestreckt werden kann.

In den Niederlanden begann man schon vor Jahren damit, in großem Maßstab Cannabis selbst anzubauen. Doch auch dem vermeintlichen Naturprodukt Marihuana kann nicht mehr leichtfertig getraut werden. Wie mit ihren Tulpen und Tomaten ist es den Holländern gelungen, das Marihuana hochzuzüchten. Der Anteil des Rauchwirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) in den Cannabispflanzen wurde von etwa 5 Prozent auf bis zu 20 Prozent erhöht. Eine häufig angewandte Methode ist es, die Mutterpflanzen zu klonen. Dabei werden Stecklinge der weiblichen Pflanzen großgezogen, welche dann die THC-haltigen Blüten entwickeln. Kenner sagen, daß längst auch schon genmanipuliertes Saatgut verwendet wird.

Mehrere holländische Cannabissamenproduzenten, deren größte die Sensi Seed Bank in Nijmegen ist, versorgen das Ausland mit den Samen der berauschenden Pflanze. Allein in Deutschland gibt es Hunderte Headshops, die neben dem Samen (Preis für 5 Samen: zwischen 20 und 250 Mark) sämtliche Utensilien für den Selbstanbau wie elektronisch gesteuerte Bewässerungssysteme oder Natriumhochdrucklampen verkaufen. Auch in Holland wird Marihuana überwiegend indoor in Kellerräumen und Wohnungen angepflanzt. Unter künstlichem Dauerlicht auf Steinwolle und mit Nährsalzlösung gezüchtet, reichen heute einige Quadratmeter aus, um sich ein paar tausend Gulden dazuzuverdienen – seit die Samen so potent sind, hat auch das homeground-Gras gute Qualität.

Inzwischen sind allerdings viele Kiffer dazu übergegangen, Cannabis auch im Garten und im Wald anzupflanzen. In Deutschland haben die Outdoor-Pflanzer jetzt weniger Angst, daß ihre Pflanzen von der Polizei entdeckt werden, als vielmehr davor, daß die diesjährige Ernte durch die Zulassung des THC-armen Hanfes für die landwirtschaftliche Nutzung eliminiert wird. Denn die männlichen Pflanzen des Nutzhanfes könnten die heimlich gezogenen weiblichen Cannabispflanzen befruchten und damit das THC zunichte machen.

Natürlich waren es die US-amerikanischen Hippies, die Marihuana als erste botanisch veredelt haben: In Kalifornien begannen Züchter Mitte der 70er Jahre, mit dem aus Asien stammenden Cannabis indica zu experimentieren. Sie kreuzten den Indica mit den in Europa und Amerika verbreiteten Cannabis sativa, um die besten Eigenschaften beider Sorten miteinander zu kombinieren. Denn Cannabis indica wirft höhere Erträge ab, weil es fettere Blüten entwickelt, dafür wächst es langsamer als Cannabis sativa. Außerdem wirkt das Indica stärker auf den Körper, während das Sativa psychedelischer ist. Bei ihren Züchtungsversuchen kreierten die kalifornischen Hobbybotaniker auch den Skunk, der zu zwei Dritteln Cannabis sativa enthält. Skunk ist der Prototyp des modernen Designergrases: Er ist billig, weil er leicht ist und fast nur Blüten enthält, dazu ist er auch benutzerfreundlich, weil er sich leicht zerbröseln läßt.

Wer wissen möchte, welches Gras nun wirklich gut ist, dem kann geholfen werden. Das amerikanische Kiffer-Magazin High Times veranstaltet seit acht Jahren den „Cannabis Cup“ in Amsterdam, um das weltweit beste Marihuana zu küren. Dabei haben die Juroren die Qual der Wahl zwischen über dreißig verschiedenen Grassorten, die fast alle das Resultat mehrerer Kreuzungen sind (einen Sonderpreis als wertvollstes Mitglied der Jury gibt es für denjenigen, der es schafft, alle Sorten anzutesten!). Zum Sieger 95 wurde Bubbel Gum gewählt, ein etwas schaumig schmeckender Skunk.

Während einige mit dem Holland-Skunk wunschlos glücklich sind, gefallen vielen anderen die neuen aufgeputschten, chemomäßig riechenden Marihuanasorten weniger. Sie sind so stark, daß nur ein Joint mit einem der Wundergräser schon manch routinierten Kiffer umgehauen hat. Einige Puristen rauchen daher nur noch im Freien angepflanztes Cannabis. Auch in Jamaika, wo Marihuana schon seit Jahrzehnten eine Volksdroge ist, halten zumindest die Rastafaris nicht viel von dem Gras, das furtilized, also gedüngt ist. Sie schwören auf ihr einfaches, unbehandeltes Bushweed, das im Dschungel versteckt bei dem tropischem Klima prächtig gedeiht.

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