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Wer stoppt die Superbullen?

Heute beginnen die Play-offs in der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA, und alles lauert auf einen Ausrutscher des großen Favoriten Chicago  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Alles redet von den Chicago Bulls, doch die nähere Zukunft des nordamerikanischen Basketballs könnte in Florida liegen. Während die Champions der letzten Jahre, Chicago und Houston, langsam in die Jahre kommen, bewies Orlando Magic mit seinen beiden 24jährigen Stars Shaquille O'Neal und Anfernee Hardaway schon in der letzten Saison, daß mit diesem Team künftig bei jeder Meisterschaftsvergabe zu rechnen ist. Zumindest wenn es gelingt, Shaq, der gern in einer Stadt spielen würde, die mehr Unterhaltung zu bieten hat als Disneyland, in Orlando zu halten. In der letzten Finalserie wurde Magic zwar von den Houston Rockets noch mit 0:4 hinweggefegt, aber 60 Siege in der am Sonntag zu Ende gegangene regulären Saison beweisen, daß die Mannschaft eher besser geworden ist. Das glaubt auch Scottie Pippen von den Chicago Bulls, die stolze 72 Siege, NBA-Rekord, landen konnten: „Kein anderes Team kann so mit uns mithalten wie Magic.“

Im Finale der Eastern Conference werden die beiden Top- Teams des Ostens mutmaßlich aufeinandertreffen, zuvor müssen sie jedoch bei den heute beginnenden Play-offs noch ein paar minderbemittelte Mannschaften aus dem Weg räumen, die zu gern Stolpersteine spielen würden. Orlando bekommt es zunächst mit den Detroit Pistons zu tun und müßte dann wohl gegen die unbequemen Indiana Pacers (zuerst gegen Atlanta) antreten. Chicago hat, bevor es gegen die Erzrivalen aus New York oder gegen Cleveland geht, zunächst eine vermeintlich leichte Aufgabe zu lösen: Miami Heat.

Doch Vorsicht! Der Coach des zweiten Florida-Teams heißt Pat Riley, und dieser haßt nichts so sehr wie Verlieren. Seit er vor 13 Jahren von Magic Johnsons Gnaden Coach der Los Angeles Lakers wurde, haben seine Teams mehr als siebzig Prozent ihrer Spiele gewonnen, die beste Quote aller NBA-Trainer. Vier Meisterschaften holte er mit den Lakers, bei den New York Knicks blieb ihm der Titel verwehrt. Als sein Wunsch nach mehr Macht im Klub abgelehnt wurde, zog er kurzerhand nach Miami, wo seine Bedingungen in großzügiger Weise erfüllt wurden: Er bekam einen mit 15 Millionen Dollar dotierten Fünfjahresvertrag als Coach und einen Zehnjahresvertrag als Präsident und Mitbesitzer. Dafür handelte er sich ein Team ein, für welches das Wort „Gewinnen“ eher ein Fremdwort war. „Ich habe ihn oft kopfschüttelnd von den Spielen kommen sehen“, sagt Fernsehkommentator Jack Ramsay, „aber er hat nie seine Perspektive verloren.“

Binnen einer Saison krempelte Riley das Team total um und sorgte dafür, daß es einer glänzenden Zukunft entgegensehen darf. Miami schaffte nicht nur die Play- offs, sondern sogar eine positive Saisonbilanz. 40 Niederlagen standen 42 Siege gegenüber, viele davon in den letzten Wochen errungen, als Riley den Kader ein zweitesmal durcheinandergewürfelt hatte. Nachdem zu Saisonbeginn Alonzo Mourning und einige andere Spieler aus Charlotte kamen, handelte Riley erneut nach einem denkwürdigen Match in Philadelphia, als seinem Team nur magere 66 Punkte gelangen. Das reichte zwar zum Sieg, weil die 76ers nur 57 Zähler schafften, aber der ehrgeizige Coach wechselte trotzdem fünf Spieler aus. Als Spielmacher kam Tim Hardaway, der bei den Golden State Warriors einst ein unwiderstehliches Duo mit Dream-Team-Akteur Chris Mullin gebildet hatte. Die nächste Bäumchen-wechsel-dich-Aktion ist für den Sommer geplant. Dann kann der Klub richtig zuschlagen, weil die meisten Spieler als „free agents“ nicht unter die „salary cap“ fallen und damit 14 Millionen Dollar innerhalb der Gehaltsgrenze für Neuverpflichtungen zur Verfügung stehen. Genug, um ein Team zu formen, das um den Titel mitspielen kann. „Was ich sehe, gefällt mir“, sagt Riley zufrieden.

Eines der größten Basketball- Wunder aller Zeiten wäre es allerdings, wenn es Miami gelingen würde, Chicago zu bezwingen. Zwei Heimniederlagen gegen Charlotte und Indiana zum Saisonende zeigten zwar, daß man auch die Superbullen schlagen kann, eine ganze Serie gegen sie zu gewinnen, dürfte indes so gut wie unmöglich sein. Zu perfekt ist die Harmonie zwischen Rebounder Dennis Rodman, Allrounder Scottie Pippen, den Bankdrückern Toni Kukoc und Steve Kerr, die immer dann treffen, wenn ihre Punkte gebraucht werden, und natürlich Michael Jordan, der mannschaftsdienlich spielt wie nie zuvor, obwohl er auch diesmal mit 30,4 Punkten im Durchschnitt Topscorer der Liga wurde. Seine spektakulären Dribblings zum Korb sind seltener geworden, dafür glänzt er mit raffinierten Anspielen und trifft fast unfehlbar mit seinem Sprungwurf im Rückwärtsfallen, der praktisch nicht zu blocken ist.

Orlando heißt der Hauptkonkurrent der Bulls, nicht zu vergessen sind aber auch Houston und Seattle. Die Rockets, die zunächst auf die Lakers treffen, gewannen letzte Saison als sechstbestes Team des Westens den Titel. Diesmal kamen sie immerhin auf Platz fünf. Die Seattle SuperSonics (gegen Sacramento) waren wie stets die beste West-Mannschaft (64 Siege) und verfolgen das große Ziel, nicht wie gewohnt in der ersten Runde auszuscheiden. „Es ist Ruhe im Team. Endlich sind wir eine Mannschaft“, sagt Detlef Schrempf. So ähnlich hatte sich das in den beiden vergangenen Jahren auch angehört.

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