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Wolf Biermann als Zeuge im Havemann-Prozeß

■ Für die wegen Rechtsbeugung angeklagten sieben DDR-Juristen ein Graus, für die Zuhörer ein Genuß: Biermann brillierte mit Pointen und geizte nicht mit Polemik

Frankfurt/Oder (taz) – Es war eher eine Dichterlesung, was sich gestern vor der dritten Strafkammer des Landgerichtes Frankfurt/ Oder im Havemann-Prozeß abspielte. Denn der Zeuge hieß Wolf Biermann. Seine bildhafte Sprache, sein Witz machte den Zeugenstand zur Bühne. Zwischen ihm und den Angeklagten liegen Welten, hier der respektlose Liedermacher, dort die treuen Staatsdiener, die sich immer nur genau ans Gesetz gehalten haben wollen. Daß dies mindestens in einem Fall nicht so war, will ihnen die Staatsanwaltschaft nun nachweisen: Die sieben ehemaligen DDR-Juristen, fünf Richter und zwei Staatsanwälte, sind angeklagt der Rechtsbeugung und in einem Fall der Freiheitsberaubung. Sie hatten den 1982 gestorbenen DDR-Regimekritiker Robert Havemann vor 20 Jahren unter Hausarrest stellen und später auch seine Bibliothek beschlagnahmen lassen. Beide Prozesse waren abgekartet, so die Anklage, genau vorhergeplant im Auftrag der Stasi.

Biermann war gekommen, damit „diese Leute hier verurteilt werden“. Und er bedauert, leider nur wenig zur eigentlichen Tat sagen zu können. Aber er konnte die Hintergründe aufhellen. Denn Biermann war enger Freund von Havemann und beide in den Siebzigern die prominentesten Vertreter der DDR-Opposition.

Anfang der 60er Jahre lernten sie sich kennen. Havemann war Professor für Physikalische Chemie an der Berliner Humboldt- Universität. Von überall kamen die Studenten, „nicht um etwas über die Wellentheorie des Lichts zu lernen, sondern um geistige Frechheiten zu hören, politische Insubordinationen gegen den verhaßten Unterdrückungsapparat“.

Diese Vorlesungen brachten Havemann 1964 ein Lehr- und Forschungsverbot ein. „Wir redeten mit Marx- und Engelszungen“, erinnert sich Biermann, „wir waren die richtigen Kommunisten und die machtgeilen Bonzen an der Spitze die falschen. Das war unsere Haltung.“ Biermann belehrte die Anwälte über DDR-Geschichte und leistete sich immer wieder erzählerische Ausflüge, die er mit „aber das ist Stoff für Romane“ beendete. Biermann im Zeugenstand, für die Zuhörer ein Genuß, doch für die Angeklagten, so schien es, bereits die Vorwegnahme der Strafe. Als der Anwalt eine erneute Ausschweifung abbrechen will, ruft Biermann: „Ich kann nicht immer ermessen, was zur Sache gehört. Ihre Sache ist ja nicht meine Sache. Sie sind eben manchmal gelangweilt und ich manchmal angekotzt. Schließlich muß ich sie ja die ganze Zeit sehen.“ Es war sein Prozeßtag.

Und er erzählt von seiner Ausbürgerung anläßlich seines Konzerts 1976 in Köln. Havemann gelang es damals, einen Protestbrief zum Spiegel zu schicken, obwohl die Staatssicherheit sich auf den Nachbarschrebergärten breits die Beine vertrat. Kurz darauf wurde er unter Hausarrest gestellt.

Ob Biermann die Ausbürgerung bewußt provoziert habe, will der Richter wissen. Nein, antwortet Biermann, er habe sogar im Westen auf Interviews verzichtet, um eine Ausbürgerung zu vermeiden. Havemann habe prophezeit, die Staatsführung würde das nicht wagen, es wäre politisch zu teuer für sie. „Der Satz hat eine wahre und eine falsche Seite“, so der Liedermacher, „sie haben es gewagt, und es war zu teuer“. Die sich daran kristallisierende Bewegung, glaubt Biermann heute, habe dem Regime den entscheidenden Stoß versetzt. Matthias Urbach

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