Ganz unbekümmerte Wauwaus

■ Am Eröffnungsabend gab es auf Kampnagel „junge Hunde“ im Generationskonflikt

Sätze über Nervosität aus einer Golfanweisung, auf Watte projezierte Filme und körperdurchdringendes Sub-woofer-Brummen: am Donnerstag abend fand die Eröffnung des diesjährigen Kampnagel-Festivals Junge Hunde vor der Installation von David Rosberg statt. Der junge Californier bietet mit Nervous Laughter von der einen Seite eine perfekte theatralische Inszenierung, gibt aber dahinter mit Filmschleifen über alten Regenschirmen auch ihr fluxusmäßiges Material zum Staunen frei.

In den Begrüßungsreden hatte sich Regisseurin Barbara Bilabel ausführliche Gedanken über Kampnagel gemacht, Jan Pusch mit der Unbekümmertheit der jungen Generation jedoch mit entsprechendem Lacherfolg einfach aus einem Buch über Hundeerziehung zitiert. Immerhin, es stimmt, ohne genügend Freiraum zum Spielen wird weder ein guter Hund noch ein guter Schauspieler.

Grenzüberschreitende Spielkraft zeigte gleich die erste Premiere: Die britische Frantic Theatre Company umkreist mit Flesh unter massivem Körpereinsatz das Thema Liebessehnsucht, Rollenbestimmung und Käuflichkeit der Körper. Die vier Tänzer/Akteure aus Wales, Durchschnittsalter 23 Jahre, kombinieren in der jungen Tradition des Physical Theatre unbekümmert Tanz mit stark wortbetonten Beziehungsanalysen, Kabarettelemente mit Shakespearehafter Publikumsansprache in Prolog und Epilog. Was an Eleganz der Bewegung vermieden wird, wird durch Verausgabung und analytischen Witz wettgemacht. Immer wieder wird die nicht nur aufgrund der sprachlichen Barrieren unmögliche Verschmelzung mit dem Publikum angeboten: „Wir sind für Euch da, in allen Geschlechtern, als Projektion Eurer Träume...“. Monologe tiefer Einsamkeit mutieren zu Telefonsex, mögliche Biographien der Mitspieler und der Gruppe werden vorgetragen, nach unmißverständlich sexuellen Tanznummern und intimen Geständnissen bieten sich die Schauspieler an: „Kauf mich!“.

Noch tiefer in die Psyche dringt in der Spätvorstellung die ungewöhnliche Produktion Söhne/Väter. Ganz biographisch haben Christian Richter und Sebastian Rudolf zusammen mit ihren Vätern, berühmter Regisseur der eine, Gesamtschullehrer der andere, theatralisch ihre Beziehungen aufgearbeitet. Nach Durchschreiten stiller Szenen zu Beginn wird die limitierte Zuschauergruppe durch mehrere Spielräume in einen fast therapeutischen Prozeß einer Männerbeziehung hineingeführt, wird ihr das nur Voyeuristische durch Beteiligung am Vertrauensspiel mit verbundenen Augen samt Erinnerungssequenzen zu Mövengeschrei und Meeresrauschen ausgetrieben.

Das nur lose gefügte Spiel findet zu einzelnen starken Bildern: die Vaterkiste, in der in penibler Ordnung der Lehrer sich fast autistisch eingerichtet hat, um dann, ganz arrivierter Althippie, Dylans „Blowing In The Wind“ auf der Gitarre zu spielen oder der Regisseur, der mit großer Rabennase auf der Schreibmaschine herumhackt, den Kistenautisten herausklopft, sich dafür erst streicheln läßt, aber dann gleich flüchtet: Bild für die Rolle des erfolgreichen aber emotionsscheuen Intellektuellen. Doch nach vielen beziehungsstereotypen Konflikttiraden können die Väter den Söhnen in Ruhe etwas beibringen, besonders pikant zwischen Regisseur-Vater und Schauspieler-Sohn. Zum Schluß tragen die Väter die Kinder vor dem Bauch, stolz wie Schwangere, hinaus.

Wer die längeren Zwischenzeiten, in denen die Besucher einzeln geführt wurden, nicht zur Eigenanalyse benutzte, konnte sich dabei und bei der ziemlich wenig verankerten Filmeinspielung Hamburger Gesichter allerdings eher langweilen. „Sicher würden wir das nicht im Schauspielhaus aufführen“ gab auch Niels-Peter Rudolf hinterher zu, doch waren die bei fast allen Besuchern im Anschluß stattfinden Gespräche ein schönes Ergebnis dieses Theaterabends an den Randbereichen der klassischen Genres und zwischen den Generationen.

Hajo Schiff

Installation David Rosberg 19-22.30 Uhr, bis 25. Mai, die beiden Stücke heute zum letzten Mal.