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Pepsi ist jetzt in Berlin

■ Die 15jährige floh vor dem Kochlöffel

Ich, also die Pepsi, kam nach Berlin, weil ich vom „Baziland“*, den Leuten dort und von meinem dummen Vater, oder wie sich diese Kreatur auch immer nennen mag, ganz gewaltig die Nase voll hatte.

Die Leute, die dort hausen, waren teilweise ziemlich seltsam drauf. Keine Motivation, irgend etwas zu machen, und die Altpunks dachten anscheinend, sie wären mit dem Leben schon fertig. Außerdem waren die Menschlein dort absolut verschlossen und abweisend zu jeglichen Neuankömmlingen. Von der Lästerei gar nicht zu sprechen. Immer der gleiche Tagesablauf und, von dem Aussehen abgesehen, genau wie jeder andere Normalbürger auch. Fürchterlich, sage ich nur.

Tja, und dann ist da noch, wie bereits erwähnt, mein dummer Erzeuger. Dieses Wesen ist ohnehhin eine Geschichte für sich. Am Tag der Beerdigung meiner Mutter eröffnete er uns, er würde Anita heiraten, was er auch, sehr zum Leidweisen meiner Wenigkeit, knapp drei Wochen später tat. Da fing der ganze Schmarren nämlich an: Ich durfte nicht mehr raus, wurde aufs übelste psychoterrorisiert und ziemlich oft mit Kochlöffeln verprügelt, die sich mein „Vater“ extra für mich zugelegt hatte, was Anita ungemein gefreut hat. Nachdem wir zum ungefähr 93sten Mal umgezogen waren, hatte ich zum ersten Mal die Nase voll und bin an einem dieser wunderschönen Tage, an denen Anita mir sagte, daß ich mich warm anziehen solle, weil am Abend mein Lieblingspapi mit dem großen Kochlöffel angerückt kommen würde, zum ersten Mal abgehauen. Damals war ich elf und kam ins Heim. Keine schöne Angelegenheit. Dort veränderte ich mich von einem Tag auf den anderen ziemlich kraß, fing zu rauchen und zu saufen an und lief in zerrissenen Klamotten rum.

Wie man sich nur allzugut vorstellen kann, hatten die Erzieher, diese Würmer, ihre helle Freude an meinen wirren Anfällen. Nach weiteren 11/2 Jahren kam mein Erzeuger auf die unglaublich gute Idee, sich von Anita scheiden zu lassen und Svetlana aus der Ukraine zu holen, um sie zu ehelichen (natürlich konnte der arme Bursche nicht wissen, daß sie ihn nach Strich und Faden betrog und wir uns zusammen in Wodkaorgien über seine grenzenlose Dummheit amüsierten). Also holte er mich, die ahnungslose Pepsi, wieder aus dem Heim heraus, weil er sich die Geschichte nicht mehr leisten konnte und weil so ein Kind im Heim ja einen schlechten Eindruck macht. Dumm, wie ich war, dacht' ich, der Mensch hätte sich geändert und wäre einigermaßen sozial geworden. Aber nein, der freudige CDU- Wähler machte mich dafür verantwortlich, daß seine Ehe mit Anita den Bach runterging, und war der Meinung, daß seine asselige Tochter ein wirklich böses Mädchen ist. Allerdings ließ ich mich nicht mehr verprügeln und setzte mich überhaupt mehr durch. War ja auch nötig, es läßt sich ja wohl keiner gerne fertigmachen. Geld habe ich nicht von ihm gekriegt, aber es hat auch so ganz gut geklappt, denn schnorren gehen kann man sogar in Ingolstadt. Ich wollte frei sein. Tja, dann hat es einen Schlag im Hirn gemacht, und Pepsi wußte: Ich muß nach Berlin gehen.

Das tat ich dann auch, nachdem ich mir Kohle für das Wochenendticket geschnorrt hatte und ich meinem „Vater“ erzählt hatte, ich müßte übers Wochenende unbedingt nach Neuberg fahren, weil, da wäre Fasching, und alle Leute fahren da hin. Nach einwöchigem Rumschleimen ließ mich der Gute fahren unter der Bedingung, daß ich mich nicht besaufe und daß er mich nicht von der Polizei abholen muß. „Klar!!!“ habe ich mir gedacht und meine Sachen gepackt. Nachdem ich am Freitag noch gewaltig Abschied gefeiert hatte, meine gesammelten Abschiedsgeschenke und guten Ratschläge empfangen hatte und endlich im Zug saß, habe ich mich erst mal gefreut wie ein Schnitzel.

Nach 171/2stündiger Fahrt, fünfmal Umsteigen und ewiger Angst, daß ich erwischt würde, stand ich da am Bahnhof Zoo und war ganz und gar weggetreten. Nie hätte ich gedacht, daß ich mit meinem fürchterlichen Orientierungssinn jemals in Berlin ankommen würde. Ganz sprachlos stand ich da, was bei mir wahrlich denkwürdige Augenblicke sind, und war noch wirrer im Kopf als sonst.

Die erste Nacht lernte ich so ein bisserl das Berliner Nachtleben kennen und habe mich nur noch gewundert. Aber ich habe gewußt: Pepsi, du gehörst hierher.

Meine euphorischen Ausbrüche waren am nächsten Tag schnell verschwunden, als ich in strömendem Regen total planlos durch Berlins Innenstadt rannte und das KLIK [Anlaufstelle für junge Treber; d.Red.] nicht gefunden habe. Schlimm war das. Nachdem ich allerdings auf die geistreiche Idee kam, daß ich ja auch anrufen könnte, habe ich es, dank der Hilfe einiger Passanten, doch noch geschafft und gleich total liebe Leute kennengelernt, die mir sehr geholfen haben und denen ich wirklich sehr, sehr dankbar bin.

Jetzt wohne ich in einem großen Haus, mit vielen ganz tollen Leuten zusammen, habe einen Welpen, der Pogo heißt, einen lieben Freund und eine Vermißtenanzeige am Hals. Aber ich will zum Jugendamt gehen, die Schule fertig machen und auf jeden Fall hierbleiben. Keine Sekunde (außer zu Besuch) möchte ich mehr zurück.

Tja, so kam die Pepsi also nach Berlin.

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