: Meuterei auf Milchschnitte
■ Unterwegs mit Käpten Pseudo-Ahab im weißen C&A-T-Shirt: "White Squall" (Sturmböe), ein Jungsfilm von - man glaubt es kaum - Ridley Scott
„Wasser hat keine Balken“, pflegte mein Opa auf die Frage zu antworten, warum er in 88 Jahren nicht dazu gekommen war, schwimmen zu lernen. Mein Opa hätte dementsprechend auch nie den Fehler begangen, auf Ridley Scotts neuem Filmsegelboot Albatros anzuheuern. Das aber tun 13 weiße Collegeboys, denen wir gequirlte 128 Minuten zuschauen sollen, wie sie unter dem Kommando von Käpten Jeff Bridges übers Meer dümpeln.
Gespannt dürfen wir beobachten, wie ihre durchtrainierten Jungskörper langsam braun werden und sie sich morgens in der Koje diese weißen T-Shirts überstülpen, die es bei C&A im Fünferpack gibt und in denen sogar meine Oberarme muskulös wirken. Schon bei Auslaufen der Albatros ist klar: Diese bleichgesichtige Whiteboys-Leichtmatrosentruppe wird ihren Käpten Pseudo- Ahab niemals stürzen.
Wir erinnern uns wehmütig der „Meuterei auf der Bounty“ mit brutalen, aber nun einmal nötigen Strafaktionen wie Kielholen. Die Albatros dagegen ist ein harmloser Ferienklub zur Jungssozialisation. Nicht einmal das Bobardement mit Sprüchen wie „Wißt ihr, was euch da draußen erwartet? Wind, Regen und Wellen!“ langt zur Meuterei auf der Milchschnitte. Geduldig warten alle auf die große weiße Welle („White Squall“), die den Kahn in die Tiefe reißen wird. Nur wann endlich?
Die Story von Scotts Pennälerabenteuer basiert auf einer wahren (!) Geschichte, bei der 1960 richtige Menschen ertrunken sind. Ob Ridley Scott, der immerhin Filme zustande brachte wie „Blade Runner“, „Alien“ und „Thelma und Louise“, total pleite war und zufällig einen Hollywood-Boss traf, der noch einen klasse Stoff für die Zuschauerzielgruppe so um 12 Jahre da hatte (Und bitte verschrecken Sie nicht wieder die Eltern, Scott!)? Wenigstens hat er für diesen garantierten Totalflop die richtigen Schauplätze gewählt: Die zwanzig Minuten, in denen sich die Jungs und die Ehefrau des Käptens (Mein Opa: „Frauen an Bord bringen Unglück“) mit dem weißen Schaum rumschlagen, hat Scott im gleichen Wassertank vor Malta drehen lassen, in dem vorher schon Renny Harlins „Piratenbraut“ absoff.
Der Käpten ist ein sanfter Psychologe und tröstet nach der Kletterpartie den schüchternen Frank Beaumont, der sich im Mast vor Angst in die Hose macht. Der nächste springt dann natürlich freiwillig im dreifachen Salto vom Mast ins Meer. Nach über einstündiger Dümpelei – weit und breit keine (uns) rettende weiße Welle in Sicht – werden auch die Themen Mädchen, Tripper, Wielangistdeiner? anhand einer Gruppe Däninnen, die man auf einer Insel trifft, abgehakt.
Dann wird es endlich richtig brutal, und hier hat man bestimmt lange überlegt, ob das nicht zuviel für die Zielgruppe ist: Einer der Jungs harpuniert einen Delphin! Nicht nur pädagogisch vollends in die Hose geht der Film dann mit diesem Satz: „Warum hat er den Fisch umgebracht ...?“ Selten wartete man so sehnsüchtig auf einen Sturm im Wassertank.
„White Squall“, Regie: Ridley Scott, Buch: Todd Robinson. Mit Jeff Bridges, Caroline Goodall, John Savage u.a. Leichtmatrosen. USA 1996, 128 Minuten
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