piwik no script img

Sperrbezirk Prenzlauer Berg

Nach den revolutionären Maidemonstrationen räumte die Polizei in Berlin einen halben Stadtteil. Polizeiketten trieben PassantInnen und Schaulustige vor sich her  ■ Aus Berlin Gereon Asmuth

Niemand kam mehr hinein oder heraus. Die BewohnerInnen des Berliner Stadtteils Prenzlauer Berg waren entweder ein- oder ausgesperrt. Vor ihren Wohnungen fanden Straßenschlachten statt. Im Anschluß an die revolutionäre Maidemonstration im Prenzlauer Berg in Berlin kam es auch in diesem Jahr wieder zu stundenlangen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und jungen DemonstrantInnen.

Der von linken und autonomen Gruppen organisierte Protestzug war zunächst mit etwa 10.000 TeilnehmerInnen friedlich zum Kollwitzplatz gezogen. Auch die Polizei hatte sich auffällig zurückgehalten. Bei der Abschlußkundgebung gaben die Veranstalter über Lautsprecher bekannt, daß ein zweiter Demonstrationszug von der Polizei nicht zum Kundgebungsort durchgelassen werde, weil dort angeblich „unfriedlich“ demonstriert werde. Die Veranstaltung blieb jedoch zunächst weiter ruhig. Wenig später fuhren nach Augenzeugenberichten zwei Polizeifahrzeuge langsam rückwärts in die Menge. Einige etwa 12- bis 14jährige seien daraufhin mit den Füßen gegen die Wagen gesprungen, so daß ein Scheinwerfer zerstört wurde. Die Polizei habe sich auch durch Gesprächsversuche der Umstehenden nicht von einem massiven Einsatz mit Knüppeln und Tränengas abhalten lassen. In kürzester Zeit eskalierte die Lage, Steinwürfe und Wasserwerfer wechselten sich ab. Die Kundgebung wurde daraufhin von den Veranstaltern abgebrochen.

Die teilweise aus Westdeutschland angereisten 4.500 Polizisten hatten inzwischen das Viertel rund um den Kollwitzplatz weiträumig bis zu den nächsten Hauptstraßen abgesperrt. Nur AnwohnerInnen, die sich ausweisen konnten, wurden noch hereingelassen. In aller Ruhe wurden dann die restlichen Anwesenden mit Hilfe des Wasserwerfers vertrieben. Hier wurde eine neue Strategie der Polizei erkennbar, die seit Jahresbeginn unter der Leitung des Ex-Generals und neuen Berliner Innensenators Jörg Schönbohm (CDU) steht. Einmal gewonnenes Terrain wurde nicht wieder freigegeben. Die Straßensperren wurden bis spät in die Nacht aufrecht erhalten.

Die Polizeitaktik versagte jedoch in den angrenzenden Hauptstraßen, wohin sich die Auseinandersetzungen am Abend verlagerten. Ausschreitungen blieben hier sporadisch. Selbst die Schaufenster von Banken und Sexshops blieben ohne Schramme. Dennoch setzte die Polizei auch hier Wasserwerfer und schwere Räumfahrzeuge ein. Polizeiketten trieben Passanten und Schaulustige vor sich her. Dabei kam es zu wahllosen Knüppeleinsätzen und Festnahmen. Flüchtende wurden bis in die Hauseingänge verfolgt. Die Einsatzkräfte vertrieben Kneipenbesucher von auf der Straße stehenden Tischen. Auf der Danziger Straße wurden gegen 23 Uhr etwa 25 Personen eingekesselt und abtransportiert. Nach Polizeiangaben wurden über 200 Personen festgenommen. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) bezeichnete den Polizeieinsatz als vorbildlich. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei zu jeder Zeit gewährleistet gewesen. Diepgen fordert nun eine schnelle Bestrafung der Täter.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen