Das Wendland stellt sich quer

■ 10.000 Menschen protestieren gegen den Castor. Verletzte bei Auseinandersetzungen mit der Polizei. Bürgerinitiative erfolgreich: Versammlungsverbot weitgehend aufgehoben. Neue Klage gegen Atommülltransport

Dannenberg (taz/dpa) – Vier Tage vor der voraussichtlichen Ankunft von Atommüll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague haben sich AtomgegnerInnen und Polizei am Samstag nahe dem Zwischenlager Gorleben gewalttätige Auseinandersetzungen geliefert. Nach einer friedlichen Kundgebung von rund 10.000 Menschen auf dem Marktplatz von Dannenberg versuchten mehrere hundert DemonstrantInnen, eine Bahntrasse zu blockieren. Der Bundesgrenzschutz ging mit Wasserwerfern und Schlagstöcken vor. Dabei wurden sechs DemonstrantInnen verletzt. 150 junge Leute wurden nach zehn Stunden wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Ein Großteil von ihnen hat rechtliche Schritte gegen die Polizei angekündigt.

Ein Vertreter der örtlichen Bürgerinitiative warf den Sicherheitskräften vor, mit ihrem Vorgehen eine Eskalation der Lage herbeigeführt zu haben. Er sagte, der Konflikt hätte friedlich gelöst werden können, wenn Polizei und BGS die DemonstrantInnen nicht über Stunden eingekesselt, sondern zunächst nur deren Personalien festgestellt hätten.

Auch in Göttingen versuchten rund 400 AtomgegnerInnen eine Bahntrasse zu blockieren. Am Sonntag morgen fand die Polizei auf der Bahnstrecke zwischen Hitzacker und Dannenberg eine Bombenattrappe. Nach Angaben der Bezirksregierung Lüneburg wurden Schienen auf einer Länge von 500 Metern beschädigt und zum Teil unterhöhlt. Hinzu kämen Sachschäden an Polizeifahrzeugen in Höhe von 60.000 Mark.

Erfolge hat die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg vor Gericht gegen das am Donnerstag erlassene Demonstrationsverbot für fast das gesamte Wendland erzielt. Das Verwaltungsgericht Lüneburg schränkte noch am Freitag abend das für sechs Tage erlassene Demonstrationsverbot stark ein. Es gilt nun nur noch am eigentlichen Transporttag, dem kommenden Mittwoch. Eine erste Beschwerde des Landkreises Lüchow-Dannenberg beim Lüneburger Verwaltungsgericht gegen die Einschränkung blieb am Samstag erfolglos. Über eine weitere Beschwerde wird das Oberverwaltungsgericht Lüneburg frühestens heute entscheiden.

Für den Castor-Transport will die Polizei auch die Bewegungsfreiheit vieler BürgerInnen des Landkreises Lüchow-Dannenberg stark einschränken. Ausgenommen sind davon nur im Landkreis ansässige Firmen. Ein Polizeisprecher bestätigte, daß eine Sperrung der immerhin beinahe 20 Kilometer langen Straße zwischen Dannenberg und Gorleben geplant ist. Die niedersächsische Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms kündigte dagegen rechtliche Schritte an, da der Gleichheitsgrundsatz verletzt werde.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) stellte am Sonntag Strafanzeige gegen das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter. Es bestehe der Verdacht, daß das BfS fahrlässig gegen das Atomgesetz und die Strahlenschutzverordnung verstoßen habe. Mit der Genehmigung des bevorstehenden Transports sei eine mögliche Gefährdung der Menschen sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verbunden. Jürgen Voges Seite 7