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In die Heimat nur fürs Visum

■ Ewa Kowalska (26) aus Polen schlägt sich in Paris mit Schwarzarbeit durch

Zu Hause würde Ewa Kowalska(*) allenfalls ein Zehntel der rund 10.000 Francs (2.800 Mark) verdienen, die sie sich in Paris in guten Monaten erschrubbt und erbügelt – vorausgesetzt, sie fände überhaupt eine Arbeit. Ernsthaft danach gesucht hat die junge Polin nie. Gleich nach dem Abitur ist sie mit dem Bus von Krakau in die französische Hauptstadt gefahren, wo schon ihre Mutter lebte, und ist ihrerseits femme de ménage geworden – ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, Krankenversicherung und Rentenanspruch.

In die Heimat fährt die heute 26jährige nur, um in dem eigenen Haus mit Garten nach dem Rechten zu schauen, um sich auszuruhen und um ein neues Touristenvisum zu besorgen. Während ihrer Abwesenheit übernimmt die Mutter ihre KundInnen – und umgekehrt.

„Polin sucht Arbeit im Haushalt“, lautete der erste Aushang, den Ewa in den Bäckereien und Supermärkten ihres Pariser Quartiers verteilte. Auch bei der polnischen Kirche am Platz der Concorde, die in jenen späten achtziger Jahren noch unter der Hand Arbeit an Landsleute vermittelte, wurde sie vorstellig. Ein paar Monate später hatte sie bereits einen eigenen Kundenkreis, der von der Lehrerin bis zum pensionierten Militär reichte. Im Zwei- oder Dreistundenrhythmus pendelt Ewa seither von einem Pariser Haushalt zum nächsten. An allen Tagen der Woche, außer sonntags. Bezahlt wird die geleistete Arbeit. Im Urlaub und an Feiertagen geht Ewa leer aus. Wenn sie krank ist, fährt sie nach Polen, weil da die Ärzte billiger sind.

Femme de ménage sei ein einfacher Beruf, findet Ewa. Etwas anderes als Putzen hat sie nicht gelernt. Will sie auch nicht. Begründung: „In zehn Jahren bin ich alt. Ich habe keine Zeit zu verlieren.“ Außerdem sei eine Berufsausbildung in Polen viel zu teuer und in Frankreich für „Illegale“ ohnehin unzugänglich.

Angst vor Entdeckung durch die französischen Behörden hat Ewa nicht. Wo auch: Hinter den geschlossenen Wohnungstüren fragt niemand nach Papieren, schon gar nicht ihre Arbeitgeber. In der Metro hat Ewa stets eine Fahrkarte dabei, und auch auf der Straße sorgt sie dafür, nicht aufzufallen. In eine Kontrolle ist sie noch nie geraten. Aber ein „bißchen wie Lotterie“ sei ihr Leben schon, sagt sie.

Privat bewegt sie sich auch in Paris in einer polnischen Welt. Französisch spricht sie nur in Ausnahmefällen. Die Arbeitsvermittler, die Vermieter, zahlreiche Freunde, der illegal auf dem Bau arbeitende Ehemann – sie alle sind Polen. Viele der älteren Landsleute sind nach Paris gekommen, als „in Polen noch Kommunismus war“. Damals „konnten sie noch Asyl bekommen“, sagt Ewa ein bißchen neidisch.

Für Leute ihrer Generation sieht die junge Frau nicht die geringste Aussicht auf eine Veränderung. Sie geht davon aus, daß die Arbeitslosigkeit bestehen bleibt und daß die Einwanderungsbeschränkungen zunehmen werden. „Die Politiker können nichts für uns tun“, ist sie überzeugt. Da sie an politisches Engagement nicht glaubt und sich auch nicht nach früheren Zeiten zurücksehnt – als es in Polen keine Arbeitslosigkeit gab –, hilft Ewa einzig der Traum von einer besseren Zukunft. „Irgendwann in den nächsten Jahren“ will sie mit Mann und dem jetzt vierjährigen Kind der Pendelei ein Ende machen und in die Kleinstadt bei Krakau zurückkehren. Will sie sich richtig niederlassen und das erschrubbte und erbügelte Geld in einen eigenen Betrieb investieren – „am liebsten in eine Nähstube“. Dorothea Hahn, Paris

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