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Vom Verkäufer zum Maulwurf

■ Im Tunnelgangster-Prozeß sagte gestern der vierte von sechs Angeklagten aus. Der einzige Deutsche führte die Verhandlungen bei der Geiselnahme in der Commerzbank

Die feingliedrigen Hände des jungen Mannes sehen nicht so aus, als könnten sie große Erdmassen bewegen. Doch genau das hatte der ehemalige Verkäufer für Herrenkonfektion monatelang gemacht. Bei den Bauarbeiten für den Tunnel zur Zehlendorfer Commerzbank hatte der 23jährige Sebastian Vierrath die Rolle des Maulswurfs übernommen. Er mußte den Sand vom hinteren Ende des Tunnels nach vorn befördern.

Als vierter Angeklagter legte Vierath gestern im Tunnelgangster-Prozeß ein Geständnis ab. Er ist der einzige Deutsche unter den sechs Angeklagten, die im Juni 1995 an dem spektakulären Überfall auf die Commerzbank-Filiale beteiligt waren und dabei 16 Millionen Mark erbeutet hatten.

Der sehr auf sein Äußeres bedachte Vierrath ist von Beruf Einzelhandelskaufmann. Seine Lehre hatte er im KadeWe gemacht, war nach dem Abschluß der Ausbildung aber nicht übernommen worden. Eigentlich habe er vorgehabt, das halbe Jahr bis zum Wehrdienst mit Reisen zu verbringen, erzählt der schlanke Mann mit den langen schwarzen Haaren gestern vor Gericht.

Doch es kam anders. Im Februar 1995 habe ihm sein Freund Ali Ibrahim vorgeschlagen, ihm beim Bau seines Häuschens zu helfen. Als Lohn seien 2.000 bis 3.000 Mark monatlich vereinbart worden. Schwarz, versteht sich. Daß es sich bei den Grabarbeiten um keinen Eigenheimbau, sondern um die Vorbereitung für einen „Einbruch“ handelte, habe er Anfang März von dem Mitangeklagten Khaled al-Barazi erfahren. „Meine Aufgabe war es, den Sand in einer Wanne auf einem Skateboard aus dem Tunnel rauszuschaffen.“ Als Vierrath zu der Tätergruppe gestoßen war, war der erste Teil des Tunnels von der Garage zum Regenwasserkanal schon fertig. Für den zweiten Teil bis zur Bank brauchten die Männer noch ganze drei Monate. Seiner gestrigen Aussage zufolge will Vierrath erst eineinhalb Wochen vor dem Ende der Bauarbeiten von Ali den wahren Grund erfahren haben: „Wir machen einen Banküberfall.“

Seine Funktion bei der Geiselnahme in der Bank, bei der 16 Menschen stundenlang festgehalten worden waren, versuchte Vierrath gestern ganz offensichtlich herunterzuspielen. Er habe die Verhandlungen führen müssen, um zu verbergen, daß die übrigen Täter Ausländer seien. „Ich mußte nicht viel wissen und habe gemacht, was die anderen gesagt haben.“ Vierrath hatte den stellvertretenden Filialleiter überwacht, der im Auftrag der Täter über Telefon Konkakt mit der Außenwelt hielt. Gegenüber der Polizei hatte der Mann später ausgesagt, von seinem Bewacher mehrmals geschlagen worden zu sein, einmal sogar mit dem Kolben eines Gewehres. Dies bestritt der Angeklagte gestern allerdings vehement. Er habe ihn nur einmal an den Haaren gezogen. „Ich hatte keinen Grund, ihn zu schlagen, er war mehr als kooperativ.“

Nach Angaben eines Mittäters am vergangenen Prozeßtag soll Vierrath nach dem Überfall 60.000 Mark von der Beute bekommen haben. Vierrath selber sprach gestern aber von nur 8.000 Mark, die ihm zwei Tage nach der Tat in einem Umschlag überreicht worden seien. Er habe gedacht, daß er noch mehr bekomme, aber eine Vereinbarung von 200.000 Mark habe es nicht gegeben, beteuerte er auf eine entsprechende Frage des Vorsitzenden Richters. Er habe sich nicht ausmalen können, das gleiche wie die anderen zu bekommen, weil sein geistiger Anteil an der Planung „gleich Null“ gewesen sei, entgegnete Vierrath. Der ungläubige Kommentar des Vorsitzenden Richters Brüning: „Außer Spesen nichts gewesen“. Plutonia Plarre

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