Herbe UNO-Rüge für Norwegens Regierung

■ Flüchtlingskommissariat überprüft ungewöhnliche Praxis bei Asylanträgen

Oslo (taz) – In Norwegen ist bislang in diesem Jahr ein einziger Flüchtling als Asylsuchender anerkannt worden. Von 11.000 Klagen wegen der Rückweisung von Asylgesuchen, die das Justizministerium in den letzten vier Jahren behandelt hatte, wurde keiner einzigen stattgegeben. Zahlen, die jetzt UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge Sadaka Ogata dazu veranlaßt haben, sich in Oslo für eine genauere Prüfung der Asylpraxis anzumelden: Sie will sich jetzt gerne fünfzig nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Akten näher ansehen, um sich ein genaues Bild über die Asylpraxis in Norwegen zu machen. Eine Maßnahme, zu der das UNHCR bisher nur äußerst selten griff und die in Oslo als ausgesprochen „peinlich“ aufgefaßt wurde.

Mit einer Anerkennungsquote von 1,7 Prozent aller Asylsuchenden und einer bei Null liegenden Chance, auf dem Rechtsweg eine ablehnende Entscheidung aufgehoben zu bekommen, hat Norwegen mittlerweile Finnland als restriktivstes Asylland Europas klar überholt. Geschafft hat man dies mit einem Asylbegriff, der nur direkte, bewiesene politische Verfolgung anerkennt. Wer sich auf die weiter gefaßte Formulierung in der UN-Flüchtlingskonvention berief, wonach auch mangelnder Schutz des Staates vor ethnischer, religiöser oder politischer Verfolgung als Asylgründe gelten, hatte beim Justizministerium in Oslo keine Chance.

Bislang nicht. Der jetzige Schritt des UNHCR hat nämlich offenbar bereits Wunder bewirkt. „Hat die Hochkommissarin eine andere Auslegung, als wir sie bisher praktiziert haben“, so Staatssekretär Öystein Maeland vom Justizministerium, „werden wir unsere Praxis ändern.“ Norwegen sei zwar recht restriktiv, was eine Anerkennung als Asylberechtigte angehe. Gleichzeitig erhielte eine große Zahl derer, die bei dieser Prüfung durch das Sieb fielen, aber ein Bleiberecht „aus humanitären Gründen“. Was stimmt, aber eben nicht die gesicherte Rechtsstellung des Asyls einräumt. Bei der norwegischen Flüchtlingshilfeorganisation NOAS ist man froh, daß das UNHCR endlich ein Zeichen setzt. Oslo verhalte sich zum einen als UNHCR-Musterknabe: „Bei der Behandlung von Flüchtlingen aus Bosnien ist man wirklich generös.“ Gleichzeitig, so NOAS-Generalsekretärin Heini Ringel, habe man „eine viel zu restriktive Linie bei individuellen Asylsuchenden gefahren“. Und Arild Humlen, Ausländerrechtsexperte beim Norwegischen Rechtsanwaltsverband, sieht die Chance, daß mit einer Neudefinierung des Flüchtlingsbegriffs viele bislang Abgewiesene eine neue rechtliche Chance erhalten, Asyl bekommen zu können. Reinhard Wolff