: Wanderprediger vor Gericht
Gesichter der Großstadt: Der berühmt-berüchtigte Nebenklagevertreter Hanns-Ekkehard Plöger ist stolz darauf, am Gericht als „rotes Tuch“ zu gelten ■ Von Barbara Bollwahn
Es gibt in der Stadt wohl kaum einen Verteidiger, dem so ambivalente Gefühle entgegengebracht werden wie Hanns-Ekkehard Plöger. Nicht wenige Anwälte kriegen sprichwörtlich „das Kotzen“, wenn nur sein Name fällt. Andere nehmen seine Auftritte vor Gericht als netten Pausenfüller zu manch dröger Verhandlungsrunde belustigt zur Kenntnis. Doch sicher ist: Plöger ist unter Berlins über 5.000 Anwälten einer der wenigen, der noch Visionen hat und der es als seine „christliche Aufgabe“ ansieht, Menschen zu helfen. Wenn es sein muß, auch ungefragt und ohne Honorar.
War Plöger vor dem Mauerfall ein Anwalt unter vielen, nutzte der 58jährige die Mauerschützenprozesse und das Verfahren gegen Honecker und machte sich als Nebenklagevertreter einen, wenn auch unrühmlichen, Namen. Plöger, der an den Anthroposophen Rudolf Steiner, Ganzheitsmedizin und Telepathie glaubt, war es, der mit Hilfe seines langjährigen Freundes Julius Hackethal die Krebsgeschwulst des ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden als Fuchsbandwurm entlarvte.
Plöger ist der Robin Hood der Strafjustiz. Mehr noch. Plöger ist die personifizierte Bild-Zeitung. Keiner gibt sich so nah an Volkes Empfinden. So zeigte er vor zwei Jahren die Intendanten des Norddeutschen und Westdeutschen Rundfunks „wegen des Verdachts der Begehung einer Volksverhetzung“ an. Die sah Plöger in dem Film mit „Ossi-Hasser“ Motzki als gegeben an. Vor wenigen Wochen erstattete der Liebhaber saftiger Rindsrouladen Strafanzeige gegen die Bundesminister Seehofer, Borchert und Waigel wegen „fahrlässiger Verstöße gegen das Fleischhygienegesetz, das Lebensmittel- sowie Tierseuchengesetz“.
„Die Menschen sind so schlecht“, klagt Plöger, der einer der wenigen Guten ist. Wer läßt schon einen ehemaligen Major des Ministeriums für Staatssicherheit eine Ausbildung zum Renogehilfen in seinem Büro machen. „Man muß aufpassen, nicht selber über den Tisch gezogen zu werden“, klagt Plöger weiter. Doch ihm selbst ist kein Tisch zu hoch. Es gibt kaum ein Rechtsgebiet, auf dem er sich nicht schon „aus Neugierde“ getümmelt hat.
Deshalb sei er vielen Richtern „überlegen“, sagt er im Brustton vollster Überzeugung. Viele seiner Anträge würden nur deshalb abgelehnt werden, weil die Richter sie nicht verstünden. In der Tat sind Befangenheitsanträge gegen Schöffinnen wegen des Verdachts, sie würden dem Vorsitzenden verliebte Augen machen, nur schwer zu verstehen.
Plöger, der dem Rest der Welt mit Habichtsaugen auf die Finger schaut, verliert dabei nicht selten den Blick auf das eigene Tun. So ließ er seine Assistentin, die ihm normalerweise astrologische Psychogramme zur Wahrheitsfindung erstellt, im Prozeß gegen die Tunnelgangster verbotenerweise ein Porträt des mutmaßlichen Drahtziehers zeichnen, von dem es keine Fotos gibt.
Es ficht ihn nicht die Bohne an, wenn Kollegen und Richter über ihn spotten oder er beim Juristenball ausgepfiffen wird. „Je mehr Leute auf mich einprügeln, um so ruhiger werde ich“, sagt er. „Nichts ist schöner, als wenn man ein rotes Tuch ist.“
Auch außerhalb des Gerichts treibt Plöger sein Unwesen: Der leidenschaftliche Tangotänzer ist langjähriger Geschäftsführer der Berliner Juristenball GmbH, Präsidialmitglied des Deutschen Motoryachtverbandes (ohne eigene Yacht), Mitglied des Börsenvereins und Präsident des Vereins zur Förderung des juristischen Nachwuchses und Rechts.
Gern rühmt er sich zudem, enttäuschten Klienten in Scheidungsfällen einen neuen Partner aus seiner Kartei zugeführt zu haben. Plöger schaut nicht auf die Uhr, wenn es darum geht, seiner „Fürsorgepflicht“ nachzukommen. Nach eigenen Angaben führt er von 7.30 Uhr bis in die frühen Morgenstunden seinen täglichen Kampf „gegen die Dummheit der Justiz“, die viel zu viele Angeklagte mit „Glacéhandschuhen“ anfasse.
Plöger, der Theaterwissenschaft und Medizin studierte und im Eigenverlag Gedichte herausgibt, wirft Richtern gerne vor, keine „intensive Persönlichkeitsentwicklung“ durchlaufen zu haben. Der Mann, der gern mit dem Vorschlaghammer argumentiert und in Verhandlungen, wo grauslige Mordfälle beschrieben werden, genüßlich süße Pralinés nascht, beklagt tatsächlich fehlendes richterliches „Fingerspitzengefühl“. Ungefragt hat er auch gleich einen Ratschlag parat: „Wer es mit der Muttermilch nicht mitgekriegt hat, dem empfehle ich die Leitung eines Sportvereins.“
Da muß man ihm zustimmen. Seit über zwanzig Jahren ist er Präsident des Berliner Volleyballverbandes. Dieses Amt will er jetzt ebenso niederlegen wie die Geschäftsführung des Juristenballs. „Vielleicht gebe ich auch mal meinen Beruf auf“, sagt Plöger. Manch einer erfüllt sich ja erst im Alter seinen Kindheitstraum. Klein Ekkehard träumte einst davon, Wanderprediger zu werden.
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