Schimmelpilze in den Naturkundemuseen

■ Konkurrenzkampf bei den Biologen: Die Systematiker bleiben auf der Strecke

Die „Biologische Vielfalt“ ist seit dem Erdgipfel in Rio in aller Munde. Doch obwohl die Bundesrepublik sich mit dem Beitritt zur Rio-Konvention zu Maßnahmen verpflichtet hat, die der Erfassung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt dienen, werden die Forschungsinstitute, an denen die Experten für diese Aufgaben sitzen, finanziell ausgehungert. „Mit der zunehmenden Bedeutung der Molekularbiologie an den Universitäten gerieten die klassischen Forschungsdisziplinen der Biologie wie Systematik, Morphologie und Biogeographie in Bedrängnis“, klagt Horst Kurt Schminke, Professor für Zoologie an der Universität Oldenburg, in der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft. Seit Anfang der achtziger Jahre schon wird die beschreibende Biologie an den Universitäten zugunsten der wirtschaftlich interessanteren Molekularbiologie – allen voran die Gentechnologie – rigoros vernachlässigt. Das Thema „Biologische Vielfalt“ sei, so Schminke, in der Forschung und Lehre zu einer „Randerscheinung degeneriert“.

Vor zwei Jahren schon war der Oldenburger Zoologe mit einer anklagenden Schrift an die Öffentlichkeit gegangen: „Verglichen mit anderen Ländern hat Deutschland für die Erforschung der heimischen und globalen Biodiversität die Infrastruktur eines Entwicklungslandes“, schrieb er damals. Obwohl ökologische Gutachten Konjunktur hätten, fehle es an Biologen, die eine Ausbildung in Systematik haben. „Ohne Artenkenner kein Natur- und Artenschutz“, bringt Schminke die derzeitige Situation auf den Punkt.

In einem mehr als beklagenswerten Zustand sind für Schminke die umfangreichen Sammlungen in den Magazinen der Naturkundemuseen, sie seien zum „vernachlässigten Erbe geworden“. Es gebe sogar Fälle, daß das oft in aufwendigen Expeditionen zusammengetragene Material regelrecht in den Magazinen „verkommt“. Dabei sind die naturkundlichen Sammlungen unerläßlich für die Beschreibung und Klassifizierung der noch nicht entdeckten Planzen und Tiere. Allein bei den Tieren sind schätzungsweise 95 Prozent der Arten von den Wissenschaftlern noch nicht erfaßt worden. Wolfgang Löhr