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■ Die Motorhaube der E-Klasse läßt sich nicht mehr öffnenBei Ölwechsel einen neuen Daimler

Trendwende im konservativen Automobilkonzern Daimler- Benz: Das Stuttgarter Unternehmen setzt bei dem neuen „Glubschaugen“-Daimler nicht mehr auf Funktionalität, sondern auf Design, Design und nochmals Design. Aus „ästhetischen Gründen“ ist beim Kombi (Werbung: „Wir hätten da jemanden, der gut zur Familie paßt“) die Motorhaube weggespart worden. Der häßliche Zwischenraum zwischen Haube und Kotflügel – die sogenannte Sieke – konnte verschwinden, die Karosserie sieht gefälliger aus. Nachteil an dem voreiligen Lifting: Wer künftig Öl nachfüllen oder die Zündkerzen auswechseln will, kommt an den Motor nicht mehr ran. Der Daimler muß auf den Müll.

Noch wird der Unsinn im Stuttgarter Stern-Konzern bestritten: Daß sich nach der neusten Daimler-Werbung von der Hamburger Agentur Springer & Jacobi im Spiegel letzter Woche die Haube nicht mehr öffnen läßt, sei dem „schlechten Druck“ des Hamburger Nachrichtenmagazins geschuldet, sagt Benz-Sprecher Hans- Gerd Bode. Die Sieke müsse beim Druckvorgang verlorengegangen sein. Daß verspielten Werbefotografen am Computer schlichtweg der digitale Retuschepinsel ausgerutscht ist, wies Bode weit von sich: „Das Bild ist nicht elektronisch bearbeitet.“ Springer & Jacobi wollte sich zu der süffisanten Angelegenheit vorsichtshalber erst gar nicht äußern. Der Spiegel wiederum zeigte sich über die Behauptung „verwundert“, sein Druck sei minderwertig.

Eine Agentur, die ebenfalls für Automobilkonzerne wirbt, räumt dagegen unumwunden ein: „Mit Hilfe des Computers wird alles weggeblendet, was uns nicht paßt.“ Ästhetisch störend seien etwa Abschleppösen. Auch in der Wirklichkeit sichtbare und deshalb störende Schweißnähte würden verkleinert oder völlig weggezoomt. Mit den Auftragnehmern sei dabei „alles abgesprochen“, nichts werde ohne deren Zustimmung weggespart.

Über die Dilettanten bei Springer & Jacobi lacht der Insider von der Konkurrenz. „Der Kombi hat ja keine Haube mehr.“ Volker Nickel vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft in Bonn findet Autowerbung mit gefälschten Bildern kein Problem. Für die Presse seien solche Stories „ein gefundenes Fressen“, aber „wir Bürger sind ja keine Naivlinge“. Wer ein Auto kaufe, mache zuvor eine Probefahrt und werde dabei sehen: „Die Motorhaube geht auf.“

Nickel selbst allerdings ist kein gutes Beispiel für das von ihm konstatierte kundenkritische Verhalten. Er fuhr am vergangenen Wochenende die E-Klasse probe – zufällig. Er sei auch um das Auto herumgegangen, die häßliche Sieke zwischen Kotflügel und Haube fiel ihm dabei nicht auf. Ob er die Scheibenwaschanlage hätte auffüllen können, weiß er nicht: „Weder habe ich versucht, die Motorhaube zu öffnen noch zu schließen.“

Über mißlungene ästhetische Korrekturen amüsieren sich nicht nur Konsumenten und Professionals, sondern für Täuschungen interessieren sich auch Juristen. Der Kunde dürfe nämlich nicht in die Irre geführt werden, sagt Dieter Lang vom Verbraucherschutzverein in Berlin. Eine Werbung wie die von Daimler verstoße eindeutig gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, weil Produkte nicht verfälscht dargestellt werden dürfen. Daß der Käufer später feststellt, die Motorhaube lasse sich doch öffnen, relativiere den Verstoß, aber schaffe diesen nicht aus der Welt.

Daß die Autoindustrie Makel an ihren Modellen „elektronisch vertuscht“, ist dem Verbraucherschützer neu. Bislang sei es vor allem bei Discountläden Praxis, für billigere Haushalts- und Hi-Fi-Geräte mit einem baugleichen, besser ausgestatten Gerät zum Preis des billigeren zu werben. Der Kunde bemerke manchmal zu spät, daß ihm bei einer Waschmaschine oder einem Fernseher ein Knopf versprochen wurde, der bei seinem Modell fehlt.

Daimler dementierte derweil mit allem Nachdruck, daß der Konzern aus ästhetischen Gründen bald auch Türgriffe, Tankdeckel und Scheibenwischer „wegdesignen“ werde. Dirk Wildt

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