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„Shell zerstörte die Gegend restlos“

Pünktlich zur Shell-Hauptversammlung beschreibt der Exchef der Umweltabteilung von Shell Nigeria im Fernsehen die Ökokatastrophe, die der Ölkonzern im Nigerdelta angerichtet hat  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Shell habe in Nigeria nicht nur internationale Vorschriften zum Umweltschutz ständig ignoriert, sondern auch immer wieder gegen seine eigenen Richtlinien verstoßen. Das sagte der Niederländer Bopp van Dessel, der von 1992 bis 1994 die Umweltabteilung des Ölmultis in Nigeria leitete. „Wo man hinblickte, waren die Shell- Grundstücke verdreckt“, sagte van Dessel am Montag im ersten Teil einer Fernsehdokumentation des unabhängigen britischen Senders ITV. „Mir war klar, daß Shell die Gegend restlos zerstörte.“

Seine Abteilung legte zwei Umweltberichte und rund 50 technische Gutachten vor, die allesamt in den Schubläden der Chefetage verschwanden. 1994 warf er das Handtuch, weil immer deutlicher wurde, daß die Umweltschutzorganisationen recht hatten, wenn sie von einer ökologischen Katastrophe im Nigerdelta sprachen.

Auch an den Kompensationszahlungen, auf die sich Brian Anderson, der aalglatte Vorsitzende der nigerianischen Shell-Niederlassung, so gern beruft, ließ der Dokumentarfilm kein gutes Haar. In einem Dorf ließ der Ölkonzern das Krankenhaus abreißen, weil er das Grundstück benötigte. Der versprochene Ersatzbau läßt auch Jahre später noch auf sich warten. In einem anderen Fall siedelte die nigerianische Regierung eine ganze Gemeinde auf Shells Wunsch um. Das Kompensationsangebot sei so niedrig gewesen, daß es sich nicht gelohnt habe, das Geld überhaupt abzuholen, sagte ein vertriebener Bewohner. Der ITV-Film kommt zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt für Shell. Heute findet in London die Jahreshauptversammlung statt. Zwar können die Manager stolz verkünden, daß sich im ersten Vierteljahr der Nettoprofit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 87 Prozent auf 2,63 Milliarden Dollar vermehrt hat. Aber der Ölmulti fürchtet die kritischen Aktionäre. Beim britischen Handelsministerium beantragte er, nur noch „richtige Aktionäre“ mit Aktien im Wert von mehr als 1.500 Dollar zu den Jahresversammlungen zuzulassen. Die Konzernleitung befürchtet, daß Anteilseigner mit nur einer Aktie ähnlich wie bei British Aerospace und bei Lloyds für Aufruhr sorgen werden. Bei der Aerospace-Jahresversammlung etwa hatten wütende Aktionäre vor kurzem die Verhaftung eines Vorstandsmitglieds gefordert.

In Nigeria geht es bei Shell um mehr als Umweltverschmutzung. Der Konzern ist mit dem korrupten Militärregime von General Sani Abacha heillos verstrickt, und bei der Verurteilung und Hinrichtung des Menschenrechtlers und Shell-Gegners Ken Saro-Wiwa vom Volk der Ogoni im vorigen November hatte der Ölmulti tatenlos zugeschaut. Damit beschäftigt sich der zweite Teil der Fernsehdokumentation am nächsten Montag.

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