: Höhenflug mit Heizstäben
■ Studenten der Technischen Universität haben eine Heißwasser-Rakete entwickelt. Der erste Testflug endete mit einem Absturz: Ein Scharnier aus dem Baumarkt war gebrochen. Nächster Start im Sommer
Eigentlich könnte sie auch Gimmick Nr. 437 aus dem letzten Yps- Heft sein: Aquarius, die kleine Rakete zum Selberbasteln. („Liebe Kinder, Ihr braucht nur ein paar alte Blechdosen, Wasser und die Heizstäbe aus Muttis Waschmaschine, dann kann's schon losgehen.“) Ist sie aber nicht. Und ganz so einfach ist es auch nicht. Obwohl das Prinzip stimmt: Die Aquarius X-PRO, wie sie mit vollem Namen heißt, ist weltweit die einzige zweistufige Rakete, die tatsächlich nur mit Wasser angetrieben wird.
„Väter“ der Rakete sind Studenten der Technischen Universität Berlin (TU). Die Aquarius steht in der Werkstatt des Institutes für Luft- und Raumfahrttechnik. Hier vermutet der unbedarfte Besucher space-artige Technologie à la Enterprise oder wenigstens Raumschiff Orion. Aber nichts da. Rohre, Schrauben, Holzbretter, ein Windrad, Scharniere, Werkzeug. Keine Licium-Kristalle für den Flug in unendliche Weiten mit Warp-Antrieb. Und auch die rund vier Meter hohe Rakete sieht ziemlich selbstgebastelt aus. „Wir haben ganz normales Material benutzt“, erklärt Ludwig Westenhöfer, eines der Mitglieder der Projektgruppe. „Die Aquarius ist zum größten Teil aus Stahl, und die Scharniere zum Beispiel haben wir im Baumarkt gekauft.“ Die Heizstäbe sind in der Tat eigentlich für Waschmaschinen gedacht. Alles geschickt zusammengebastelt, hier und dort ein wenig geschweißt und geschraubt – und fertig ist die umweltfreundlichste Rakete der Welt.
Bei „normalen“ Raketentriebwerken wird jede Menge Treibstoff benötigt. Daß dabei die Umwelt nicht unerheblichen Schaden nimmt, ist nicht verwunderlich. Da tropft schon mal der eine oder andere Liter daneben, und schon ist der Boden verseucht. Dazu kommt noch die Explosionsgefahr. Das alles bereitet der Aquarius-AG kein Kopfzerbrechen. Hier kommt der Treibstoff aus dem Wasserhahn. Wenn etwas ausläuft, hat das keine Folgen, und explodieren kann auch nichts. Die Idee der Aquarius ist denkbar einfach: Im Tank der Rakete wird Wasser über einen Dieselgenerator solange erhitzt, bis es eine bestimmte Temparatur, nämlich 264 Grad Celsius, und der Wasserdampf einen bestimmten Druck erreicht hat. Dann wird die Düse geöffnet, der Dampf schießt heraus, und schon hebt die Rakete ab. „Im Prinzip ist das wie bei einem Schnellkochtopf“, so Ludwig Westenhöfer.
Nach etwa 4 Sekunden werden Unter- und Oberstufe getrennt, dann fliegt die Oberstufe allein weiter. Damit die beiden Teile bei der Landung nicht verloren gehen oder beim Aufprall völlig zerscheppern, sind sie mit einem Bergungssystem ausgestattet. In jeder Stufe befindet sich ein kleiner Fallschirm, der über einen Timer aktiviert wird. So trudeln die Teile relativ sanft zu Boden.
So hoch wie eine „echte“ Rakete fliegt die Aquarius zwar nicht. Aber immerhin: Beide Stufen zusammen schaffen bis zu 2.000 Meter. Ludwig Westenhöfer sieht aber erst einmal kaum Chancen für ausgedehntere Flüge: „Für größere Höhen müßte die Rakete viel leichter sein. Mit dem Material, das wir jetzt verwendet haben, ist da nicht viel mehr zu machen.“ Und wie fast überall scheitert's am Geld: Leichtere Werkstoffe sind natürlich viel teurer.
Doch auch die „schwere“ Aquarius fliegt nicht aus Jux in Richtung Orbit. „Geplant ist, daß wir in der Oberstufe Nutzlast anbringen“, erklärt René Curwy, Tutor der Projektwerkstatt. Mit dieser Nutzlast, allerlei kleinen Meßgeräten und Sensoren, sollen zum einen Flughöhe und Geschwindigkeit der Aquarius ermittelt werden. Außerdem können hoch oben Klimadaten gemessen werden: Temperatur, Luftdruck oder Windgeschwindigkeiten.
Aber zugegeben: Jede Menge Spaß ist natürlich auch dabei. Astronaut wollte doch fast jeder mal werden. Mit der Aquarius kann man zwar nicht selbst fliegen, aber immerhin. Die Berliner Studenten sind dabei auch nicht allein auf weiter Flur. „In Frankreich gibt es regelmäßige Raketen-Treffen“, erzählt Ludwig Westenhöfer. Die „kleine“, einstufige Aquarius war bereits zweimal dabei. „Da waren wir jedesmal die große Attraktion.“
Ihren ersten Start hat die neue Aquarius bereits hinter sich: auf dem brandenburgischen Truppenbungsplatz Klietz (die taz berichtete). Zwar hat nicht alles so funktioniert, wie es sollte, aber alle sind zuversichtlich: „Wir wissen ja, woran es gelegen hat.“ Das Scharnier aus dem Baumarkt war schuld. Es ist einfach gebrochen. Doch ein neuer Versuch ist noch für diesen Sommer geplant.
Auch auf der diesjährigen Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ist die zweistufige Aquarius dabei. Daß es dort zuweilen recht militaristisch zugeht, macht der AG keine Sorgen. René Curwy erklärt, warum: „Davon hätte das Militär nichts. Bis das Ding so erhitzt ist, daß es starten kann, ist der Feind schon lange weg.“ Sabine Gärtner
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