: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser
■ Künftig will sich die PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus selbst auf geheimdienstliche Mitarbeit kontrollieren. Dafür verlassen die PDSler den parlamentarischen Ehrenrat, der Stasi-Fälle untersucht
Die PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus will die Überprüfung ihrer Mitglieder auf eine geheimdienstliche Mitarbeit künftig in eigener Regie durchführen. Als letzte Prüfungsinstanz wurde der Jurist Uwe Wesel, Professor an der Freien Universität, gewonnen. Er solle als „notarielle Aufsicht“ die notwendige „Transparenz“ des Verfahrens garantieren, sagte gestern der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf. Die Ergebnisse der Auskünfte bei „ost- und westdeutschen Geheimdiensten“, denen die 34 Abgeordneten zuvor zugestimmt haben müssen, will die Fraktion nach interner Beratung der „Öffentlichkeit zugänglich“ machen. Dabei solle Wesel auch die „schutzwürdigen Interessen“ Dritter wahren.
Damit verabschiedet sich die Partei vom parlamentarischen Stasi-Überprüfungsverfahren. Noch in der vergangenen Legislaturperiode hatte die PDS der zweistufigen Stasi-Überprüfung auf Parlamentsebene zugestimmt – allerdings erst, als neben dem geheim tagenden Ehrenrat auch ein öffentlicher Stasi-Untersuchungsausschuß eingesetzt worden war.
Die bisherige Tätigkeit des Ehrenrats findet nun bei der PDS keinen Gefallen mehr. Aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit sei dieses Gremium, dem neben dem Präsidenten des Parlaments und seinen Stellvertretern alle Fraktionsvorsitzenden angehören, „nicht geeignet, eine der Geschichte und den darin handelnden Personen gerecht werdende Aufklärungsarbeit zu leisten“, heißt es in dem Beschluß der Fraktion. Die Tatsache, daß der Ehrenrat geheim tagt und seine Arbeit ausschließlich auf Stasi-Fälle beschränkt, stört die PDS. Der „bloße Fakt“ einer IM-Registratur sei „regelmäßig“ zur Gleichsetzung von Stasi und DDR „beziehungsweise SED und PDS“ instrumentalisiert worden, heißt es weiter. Aus diesem Grund will die Partei künftig keinen Vertreter mehr in den Ehrenrat entsenden, für dessen erneute Einrichtung CDU, SPD und Bündnisgrüne im November gestimmt hatten. Dagegen war die PDS mit einem Antrag gescheitert, die Abgeordneten auch auf eine mögliche Mitarbeit in sonstigen, also auch westdeutschen Geheimdiensten hin zu durchleuchten.
In den letzten fünf Jahren mußten sich fünf Abgeordnete der PDS-Fraktion vor dem Ehrenrat beziehungsweise dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß wegen des Vorwurfs der Stasi- Tätigkeit verantworten. Nach der Wahl vom Oktober zogen drei von ihnen (Norbert Pewestorff, Dagmar Pohle und Dieter Klein) wiederum für die PDS ins Parlament.
„Ich erwarte bei den Überprüfungen keine Überraschungen“, gab sich Wolf gestern zuversichtlich. Schließlich hätten sich alle Abgeordneten verpflichtet, „ihre Vergangenheit offenzulegen“. Schon kommende Woche will der Fraktionvorstand Anfragen bei der Gauck-Behörde und beim Verfassungsschutz starten. Auskünfte von westdeutschen Geheimdiensten dürften wohl nur schwer zu erhalten sein, räumte Wolf ein – vor allem über eine „aktuelle Tätigkeit“.
Daß sich die PDS mit ihrer Selbstkontrolle einen Dienst erweist, zweifelt die rechtspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Renate Künast an. Für unglücklich hält sie auch die Wahl des FU-Professors Wesel. Die PDS hätte jemanden suchen sollen, der „mehr Distanz“ zum Thema habe. Wesel hatte sich wiederholt öffentlich gegen die Aufarbeitung der DDR- Vergangenheit mit juristischen Mitteln gewandt und war deshalb heftig kritisiert worden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Dieter Hapel, warf der PDS vor, „den Bock zum Gärtner zu machen“. Sich selbst zu überprüfen widerspreche dem „Sinn jeder Kontrolle“. Severin Weiland
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