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Damit die Kunden wiederkommen

■ Bei vielen Naturkosthändlern stößt Marketing auf Mißtrauen. Doch Marketing muß mehr sein als "irgendwie Werbung", denn der Naturkosthandel ist im Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt

Eine aktive Vermarktungspolitik war bei ökologischen Produkten lange Zeit kaum nötig. Das reine Anbieten – nicht das Vermarkten – dieser Produkte begann mit dem Gedanken, der Zerstörung der Natur durch Gewinnmaximierung ein ökologisches Produzieren und Handeln entgegenzusetzen. Hinzu kam, daß Markt und Kunden dafür vorhanden waren und deren Bedürfnisse nicht erst geweckt werden mußten, im Gegenteil: Jahrelang haben Kunden geradezu nach Anbietern gesucht.

Eine aktive Vermarktung im Sinne von Marketing fand nicht statt, der Erfolg des Einzelhandels war bei einem günstigen Standort so gut wie sicher. Naturkost war eine Nische und konnte sich ungestört entfalten. In der Folge entwickelte sich die Haltung, daß ökologische Produkte, wie beispielsweise Naturkost, mit dem konventionellen Einzelhandel und dessen Methoden nichts zu tun haben.

Doch mit zunehmendem Wachstum und wirtschaftlichem Erfolg des Naturkostmarktes interessierte sich auch der konventionelle Handel für die Ökologie. Das Monopol der Naturkostläden begann zu bröckeln, Wettbewerb trat ein. Handelsketten setzten Kapital und Fachkräfte ein und begannen, den Erfolg von Naturkostläden zu kopieren. Wer will es ihnen verbieten? Schließlich hat die Ausweitung des Handels mit ökologischen Produkten auch insgesamt positive Auswirkungen auf das System Ökologie.

Daß der Einsatz von Marketing unausgesprochen als Verrat an ökologischem Handeln und Tun gilt, liegt mit Sicherheit daran, daß beim Produzieren und Handeln mit ökologischen Produkten zumeist die Ökologie das Denken beherrscht. Beherrscht aber Ökologie das Denken, wird der Einsatz ökonomischer Mittel – hier auch der Einsatz von Marketing – oft ausgeschlossen. Dies zeigt sich in einer immer wieder geäußerten Meinung, daß Ökologie und Marketing – und damit Ökologie und Ökonomie – zwei unterschiedliche Systeme seien, die sich nicht miteinander vertragen.

Betrachtet man die Wirkungsweise beider Systeme, so stellt man fest: Ökonomie ist zweckorientiert und zielt in eine bestimmte Richtung, wie beispielsweise das Wachstum. Ökologie hingegen ist zweckfrei und wird bestimmt vom Kreislaufdenken. Diese beiden Systeme können nicht miteinander in Beziehung gesetzt werden, denn wer etwas erreichen will, handelt zweckorientiert. Es wird etwas verbraucht – Ressourcen, Güter, Dienstleistungen. Was aber verbraucht wird, ist nicht mehr das, was es einmal war.

Ökologische Kreisläufe hingegen wollen nichts erreichen – sie sind zweckfrei und „funktionieren einfach“. Sie verbrauchen sich nicht selbst und stellen, mit geringfügigen Abweichungen, immer wieder den alten Zustand her.

Eine Annäherung, gar Versöhnung beider Systeme scheint unmöglich. Der ökonomisch Handelnde verbraucht die Ressourcen des ökologischen Systems, dessen Bestehen er schlimmstenfalls nicht einmal wahrnimmt. Bestenfalls versucht er, so „umweltschonend“ wie irgend möglich sein Ziel zu erreichen – und schädigt trotzdem durch sein zweckgerichtetes Handeln das System Ökologie.

Eine Produktion und der Handel ökologischer Produkte ist somit nicht automatisch auch ökologisch. Es dient allerdings einer Annäherung an ökologische Systeme, obwohl die Produktion und der Handel auf ökonomischer Basis stattfindet. Wer sich aber ökonomisch verhält, sollte auch alle Möglichkeiten ausschöpfen, ökonomischen Erfolg zu haben, denn je mehr Erfolg ökologische Produkte haben, desto eher nähern wir uns dem ökologischen System an und desto größer wird die Zahl der Menschen, die ökologisch denken und politisches Handeln fordern. Ein wesentliches Instrument auf diesem Weg ist das Marketing.

Marketing ist die systematische Analyse von Produkt und Markt mit dem Ziel, einer Gruppe einen einzigartigen, glaubwürdigen Nutzen zu bieten und dabei einen maximalen Verkauf zu erreichen.

Bis Mitte der 80er Jahre waren solche Überlegungen kaum nötig. Das Angebot der Unternehmer und der Nutzen für die Ökologie stimmten zumeist mit den Interessen der Kundschaft überein. Es gab schließlich genügend Kunden für die wenigen verfügbaren Produkte. Der Naturkostmarkt war ein Verkäufermarkt – der Verkäufer bestimmte, was der Kunde kaufen konnte, nämlich das, was gerade da war. Wichtig war, daß der Verkäufer überhaupt etwas anbieten konnte.

Seit Mitte der 60er Jahre bestimmt im konventionellen Wirtschaftskreislauf aber kaum mehr der Verkäufer den Markt, sondern der Käufer bestimmt, was er und vor allen Dingen, wo er etwas kaufen möchte. Es gibt für jedes Produkt, für jeden Markt und in jeder Menge entweder ähnliche Produkte oder „Me-too-Produkte“, die den Erfolg der anderen zu kopieren versuchen.

Im Bereich Naturkost war der Käufermarkt indes lange Zeit die Ausnahme: Vergleichsweise wenige Marken bestimmten die Sortimente. Hatten beispielsweise die Rapunzel-Öle Erfolg, wurden sie kopiert. Doch blieb die Konkurrenz unter sich und innerhalb des Naturkostmarktes – das ist nun Vergangenheit. Denn heute bieten auch konventionelle Hersteller Produkte aus ökologischem Anbau feil (Hipp-Babynahrung) und unter eigenen Marken wurden komplette Sortimente kreiert (Alnatura, Naturkind, Füllhorn). Insofern entwickelt sich auch der Naturkostmarkt zum Käufermarkt. Die Kundschaft kann sich mittlerweile ihre Anbieter aussuchen.

Die systematische Analyse von Produkt und Markt mit den Instrumenten des Marketing macht es möglich, die Position des Unternehmens am Markt zu entwickeln und zu stärken. Gerade weil in den heutigen Käufermärkten der Kunde sich seine Anbieter fast beliebig aussuchen kann, ist dies eine unabdingbare Notwendigkeit. Verlangt wird eine „Nutzendefinition“ der eigenen Leistung, bezogen auf ganz bestimmte Nachfrager (siehe Kästen).

Grundsätzlich sollte sich deshalb jedes Unternehmen immer wieder zwei Fragen stellen:

1. Wo ist mein Markt, wer sind meine Kunden?

2. Nützt mein Produkt in Produktpolitik, Preispolitik, Distributionspolitik und Kommunikationspolitik meinem Markt und meinen Kunden?

Der Grundgedanke des Marketings ist also, dem Kunden das Produkt zu liefern, das er benötigt. Ist er dann Kunde – dem Unternehmen also als Markt bekannt – kann genau dieses Produkt geliefert werden. Ansätze dazu gibt es bereits im Naturkostbereich, ohne es jedoch „Marketing“ zu nennen: das Naturkostfachgeschäft, das in „Frische“ investiert und andere Sortimente auslistet; der Großhandel, der eine dreimalige Belieferung mit Frischware pro Woche garantiert; Naturwarenhersteller, die kostenlos Verkaufshilfen anbieten; Erzeuger, die sich in Erzeugergemeinschaften zusammenschließen, um beispielsweise Kantinen als Großkunden beliefern zu können. Jede dieser Leistungen und Maßnahmen soll den Anbieter attraktiver machen als die Konkurrenz und sich somit dem Kunden näherbringen.

Aber woher ist bekannt, daß das Angebot auch als verbessertes Angebot bei den Kunden ankommt? Erkennt die Kundschaft die Veränderung im Angebot überhaupt? Und bringt diese Angebotsveränderung dem Kunden tatsächlich einen Nutzen? Ohne den Einsatz von Marketing besteht die Gefahr, diesen Nutzen zu verfehlen. Oft wird dabei nach persönlicher Erfahrung entschieden. Persönliche Erfahrung ist wichtig, kann aber zu subjektiver Beurteilung führen. Diese wirkt sich dann positiv oder negativ aus, wenn die Erfahrungen der Vergangenheit einfach fortgeschrieben werden, ohne einen neuen Markt neu zu analysieren; beispielsweise bei Produktentwicklungen und im Zuge sich verändernder Märkte – wie beim derzeitigen Wechsel des Naturkostmarktes vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Doch kann sich auch im Falle des Erfolges bei der Vermarktung ökologischer Produkte niemand darauf ausruhen. Vielmehr gilt es, das eigene Angebot der Produkte mit den Interessen der Kunden langfristig in Einklang zu bringen. Nutzt es dem Kunden, dann nutzt es auch dem Unternehmen und der Ökologie – zufriedene Kunden kommen schließlich immer wieder. Michael Ständer/alo

Der Autor ist Marketing-Fachwirt. Sein Artikel ist ein für die taz gekürzter Vortrag. Die vollständige Fassung ist gegen Kostenerstattung erhältlich unter Tel. (069) 82 15 65.

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