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Neururer, lausbübisch

■ Schöne Eintracht bei Köln nach abstiegsverhinderndem 1:0 in Rostock

Rostock (taz) – Für den gemeinen Medienvertreter war der Samstagnachmittag im Rostocker Ostseestadion kein einfacher Arbeitstag. Und das nicht nur, weil in diesem Bundesligaspiel die anstrengenden Themen UEFA-Cup- Teilnahme (Rostock) und Abstieg (Köln) entschieden werden sollten. Wer nicht ein SAT-1-Mikro in der Hand, einen „premiere“-Aufkleber auf dem Rücken oder eine wertvolle Fotoausrüstung vor dem Bauch baumeln hatte, der mußte sich mit einem Platz auf der Vortribüne begnügen.

An sich kein Problem. Doch der mit Sponsorenaufklebern versehene, plexigläserne Spielertunnel und die mächtigen Auswechselbänke durchkreuzten die journalistische Sicht beträchtlich, und so mußten die Ereignisse auf dem Spielfeld durch den Blick auf drei vor der Tribüne aufgebaute TV- Monitore verifiziert werden. Was auch nicht gerade einfach war. Denn dort – in etwa 20 Meter Entfernung – hatten sich nahezu sämtliche Exemplare der oben schon bezeichneten Spezies zusammengerottet. Unter ihnen auch der Interimsmanager des 1.FC Köln, Wolfgang Loos, weil ihn diese Position befähigte, Bilder des Spiels zwischen Leverkusen und Kaiserslautern empfangen zu können.

Konnte, denn um 16.33 Uhr, beim Spielstand von 0:0 in Rostock und Leverkusen fällt der Strom aus. Schwarze Monitore, allgemeine Medienvertreterhektik, und Wolfgang Loos verschwand sofort durch den Spielertunnel auf der Suche nach Ersatzquellen.

16.42 Uhr. Loos sprintet mit einer offensichtlich wichtigen Nachricht aus dem Tunnel und läuft an den Spielfeldrand zu Trainer Neururer. Dessen Reaktion (an Lippen und Gestik abgelesen) kann nur bedeuten: Kaiserslautern führt in Leverkusen – das Unentschieden reicht Köln zwar, aber ein Tor für Hansa, und der Abstieg ist Realität. Eine Minute später dann macht die Meldung vom Frankfurter Ausgleich gegen den HSV die Runde und die Hoffnungen auf eine UEFA-Cup-Teilnahme Hansas erhalten neue Nahrung.

Dann schreit einer der drei Mitarbeiter des Kölner Express seinem Kollegen auf der Tribüne zu, Lautern habe in Leverkusen gerade die Riesenchance zum 2:0 vergeigt, zeitgleich wird ein Überbrückungskabel seitlich an der Vortribüne hochgezogen.

Um 16.55 haben die Monitore wieder farbige Bilder, Hansa drängt auf den Führungstreffer, und Loos hat erneut auf seinem Stuhl Platz genommen. Jedoch kaum länger als sechzig Sekunden. Dann springt er erregt auf. Freudig. Holger Gaißmayer hat das klasserhaltende 1:0 erzielt. Und spätestens in diesem Moment konnte denjenigen Beobachtern recht gegeben werden, die nach der frühen, verletzungsbedingten Auswechslung von Stefan Kohn gemeint hatten, mit dem für den „Toreverweigerer“ Kohn eingewechselten Gaißmayer könne es nur besser werden.

Es ist 17.05, als Loos grinsend von seinem Stuhl Richtung Trainerstuhl rennt. Neururer klatscht lausbübisch in die Hände und hüpft erleichtert dreimal auf der Stelle. Und als Schiedsrichter Krug um 17.16 ein letztes Mal seine Pfeife benutzt, hat die Bundesligasaison für den maroden 1.FC Köln ein glückliches Ende gefunden. Es vollziehen sich die bei solchen Anlässen üblichen Freudenarien, und natürlich „brachen alle Dämme“. Auch auf den Tribünen. In der Freude über den Verbleib ihres Klubs in der obersten Spielklasse, drehten einige Kölner Hooligans durch. Sie rissen Plastiksitzplatten aus den Verankerungen und warfen sie in den angrenzenden Block, in dem sich gegen Ende der Partie wohl auch einige Rostocker „Gewaltbereite“ eingefunden hatten. Als diese ihrerseits dann die Plastikteile retournierten und denen noch Flaschen beifügten, schritt die Polizei ein.

Harmlose FC-Anhänger, die die 57-DM-Sonderzugfahrt von Köln aus mitgemacht hatten, konnten Angaben darüber machen, daß sich mitreisende Hooligans unter dem wohlwollenden Auge des sie begleitenden Bundesgrenzschutzes mit dem Schniefen respektabler Mengen Koks für das Spiel und die dritte Halbzeit präpariert hatten. Da drängt sich die Frage auf, ob es in Köln eigentlich ein schöneres Bild von Eintracht am Ende einer so zwieträchtigen Saison geben kann. Thomas Lötz

1. FC Köln: Illgner - Stumpf - Beiersdorfer, Cichon - Braun, Thiam, Hauptmann, Munteanu (ab 83. Andersen), Weiser - Kohn (ab 15. Gaißmayer), Polster (ab 77. Steinmann)

Zuschauer: 25.800 (ausverkauft)

Tor: 0:1 Gaißmayer (73.)

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