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Mit Billigcomputern ins Netz

IBM, Apple, Sun und die Softwarefirmen Netscape und Oracle wollen mit einem billigen Internet-Computer den Massenmarkt erobern  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – „Das Netz ist der Computer.“ Das ist die Vision von Larry Ellison, Chef der amerikanischen Softwarefirma Oracle. Für nur 500 Dollar (750 Mark) will er einen Internet-fähigen sogenannten Network Computer bauen und so Millionen Menschen an das große Datennetz anschließen.

Seit Montag ist Ellison einen entscheidenden Schritt weiter: In San Francisco kündigten die Computerriesen IBM, Apple und Sun Microsystems zusammen mit den Internet-Softwarefirmen Netscape und natürlich Oracle einen gemeinsamen Standard für die Architektur des Network Computers (NC) an. Schon im Sommer sollen die ersten NCs auf den Markt kommen.

Der neue Computer ist so günstig, weil er auf einen großen Speicher verzichtet, auf Festplatte und Diskettenlaufwerk sogar ganz. Ausgestattet mit einem minimalen Betriebssystem soll er seine ganze Leistungsfähigkeit direkt aus dem Internet beziehen. Wie in alten Zeiten, als es noch keine PCs gab, würde man vor einem eigentlich dummen Terminal sitzen, das erst durch die Verbindung zum Großrechner, hier das Internet, zum tauglichen Arbeitsgerät wird – von Textverarbeitung bis Tabellenkalkulation.

Mehr als 30 Computerfirmen haben sich dem Standard bereits angeschlossen. Oracle selbst will keine eigenen Computer bauen, sondern nur die Software liefern. IBM kündigte eine Reihe von verschiedenen NC-Modellen an, Apple hat mit Pippin bereits den Prototyp seiner Variante auf der vergangenen Hannover-Messe vorgestellt: eine Internet-fähige Abspielstation für Multimedia–CDs – allerdings noch zum Preis für 600 Dollar (900 Mark).

„Der neue Standard hat das Potential, eine Industrie in Gang zu setzen, die den Interessen der Nutzer dient statt denen der Software- Hersteller und Computerlieferanten“, erklärte Ellison vollmundig. Dies ist vor allem als Angriff auf Bill Gates' Computer-Imperium Microsoft gedacht, dessen Betriebssysteme Windows und MS- DOS 80 Prozent aller Rechner antreiben. Deren Programme seien für die meisten Anwender zu kompliziert und zu umfangreich. Für die Verständigung zwischen NC und Internet sind denn auch Microsoftprogramme nicht vorgesehen, sondern Programme wie der Internet-Surfer von Netscape, das Videoprogramm Quicktime von Apple und für komplexere Anwendungen Java von Sun.

„Das Internet kann von Microsoft nicht beherrscht werden“, sagt die Apple-Sprecherin Theresa Wermelskirchen, „im Internet gibt es noch einen Markt.“

Doch ob diese Pläne wirklich „das Internet so selbstverständlich machen werden wie Telefon und Fernseher“ (Pressetext) ist fraglich. Die Ersparnis durch den günstigen Preis des NC könnte schon bald von der Telefongebühr fürs Internet aufgebraucht werden. Außerdem ist die Belastbarkeit des Internets in Deutschland noch lange nicht ausreichend, um ein vernünftiges Arbeiten mit dem NC zuzulassen, warnen Experten. „Die werden's schwer haben“, prophezeit auch Microsoft-Sprecher Thomas Baumgärtner. Er setzt weiter auf herkömmliche PCs – und ihre Kombination mit Radio und Fernsehen: „Speicherchips und Festplatten sind mittlerweile sehr günstig – richtige PCs für 1.000 Mark sind möglich.“

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